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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Seite - 266 -
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| Alltag und Einheitsprüfungen266 den Lohn und das arme Mädchen willigte ein, weil es kein Zuhause und jetzt keine Aussicht auf einen neuen Posten hatte. Es gibt sogar Damen, die jetzt einer perfekten Köchin 10 [… Kronen] monatlich zu bieten wagen mit der Bemerkung, daß eben Krieg sei. Ein paar Fälle gibt es, wo die Frau dem Mädchen während des Krieges nur die Kost geben wollte.“59 Die Arbeiterinnen-Zeitung schilderte zudem einen Fall, wo ein verwitwetes Grazer Dienstmädchen von ihrer Arbeitgeberin regelmäßig schikaniert wurde.60 Die im Artikel namentlich ausgewiesene Arbeitgeberin schikanierte ständig das Dienst- mädchen (sie „keifte“ laut Arbeiterinnen-Zeitung), obwohl das Dienstmädchen (eine „Haussklavin“) für geringen Lohn „außerordentliche Kochkünste entfalten“ musste „und nebenbei eine Zimmerflucht aufzuräumen“ hatte. Zusätzlich dazu wurde das Dienstmädchen, das Mitglied der Gewerkschaft der dienenden Mäd- chen („Einigkeit“) war, mehrmals von der Arbeitgeberin (eine „nervöse Gnädige“) des Diebstahls bezichtigt. Dieser „Haß“ gegen „Sozialdemokraten“ stellte für die wöchentliche Arbeiterinnen-Zeitung aber keinen Einzelfall dar. Denn letztendlich spuke „das rote Gespenst [...] gräßlich in den Köpfen vieler Gnädigen.“61 Diese Anschuldigungen von Seiten der Sozialdemokratie brachen massiv mit dem, was viele Zeitungen und Zeitschriften damals forderten: Das Ruhen der parteipoliti- schen Grabenkämpfe. An diesem mehrfach anzutreffenden Appell hielt sich aber aus meiner Sicht keine der Grazer Zeitungen und Zeitschriften, da diese des Öfte- ren den politischen Gegner oder eine andere „Nation“ kritisierten. Diese Zweiglei- sigkeit verdeutlicht, dass der Prozess der Einheitsbildung ambivalent und brüchig war und es deshalb zu keiner uniformen „Kriegsgemeinschaft“ kommen konnte. Die Zahl der Arbeitslosen reduzierte sich vor allem durch das Anlaufen der in- dustriellen Kriegswirtschaft.62 Dem Grazer Arbeitsvermittlungsamt zufolge habe sich seit Oktober 1914 „der Verkehr vollkommen zu Gunsten der [männlichen] Arbeitsuchenden gewendet, weshalb augenblicklich die große Gefahr einer An- sammlung von großen Massen Stellungsloser [...] beseitigt ist.“63 Die Vermittlung von Frauen (Dienstmädchen, Köchinnen, Kellnerinnen usw.) erwies sich weiter- hin als schwierig. 59 Die Frauen Steiermarks während der Kriegszeit, in: Arbeiterinnen-Zeitung, 15.12.1914, 5. 60 Die folgenden Zitate stammen aus: Streiflichter aus dem Grazer Dienstmädchendasein, in: Arbei- terinnen-Zeitung, 22.9.1914, 6. 61 Ebd. 62 Bericht der k.  k.  Gewerbe-Inspektoren über ihre Amtstätigkeit im Jahre 1914 (1915), 154. Vgl. auch: Augeneder (1987), 12. 63 Wichtig für stellungslose Arbeiter!, in: Grazer Tagblatt, 4.10.1914 (2.  Morgenausgabe), 3.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Titel
Graz 1914
Untertitel
Der Volkskrieg auf der Straße
Autor
Bernhard Thonhofer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln- Weimar
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Abmessungen
17.4 x 24.5 cm
Seiten
510
Schlagwörter
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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