Seite - 283 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Ausstattungsfrage und Postämter | 283
riet. Mit diesem Verweis versuchte er gewissermaßen zu beweisen, dass er ebenso
kein leichtes Leben an der Front habe. In mancherlei Hinsicht habe er es sogar
schwerer als der (reguläre) Soldat, da dieser immerhin „seine Ruhe und nicht die
Verpflichtung und Verantwortung“ habe, wie ein „arme[r]“ Postbote. Der Brief
endete mit dem verklausulierten Appell: „Die unersättlichen Leute korrespondie-
ren mehr als in Friedenszeiten [...].“ Sorgen bezüglich ausstehender Feldpostsen-
dungen sowie etwaige Unklarheiten bezüglich des Feldpostverkehrs schlugen sich
auch in den sogenannten Briefkästen der einzelnen Zeitungen nieder. Greift man
allein auf die Rubrik „Briefkasten der Schriftleitung“ des Tagblatts zurück, finden
sich dort mehrere Antworten auf Fragen von Lesern und Leserinnen, die die Kom-
munikation zwischen Graz und den (teils gefangenen) Soldaten betrafen. Die
meist kurzen Antworten der Redaktion lauteten zum Beispiel:
• „Die Ursachen, warum die Briefe nicht einlangen, ist auch auf dem Postamte nicht
festzustellen. Reklamationen scheinen zwecklos.“
• „Solange der Feldpostverkehr ausgeschaltet ist, nicht möglich. Vielleicht gelingt
die Zusendung durch das zuständige Korpskommando.“
• „Zur Einhebung und Verbreitung von Auskünften über Kriegsgefangene sowie zur
Vermittlung des Verkehres mit unseren Kriegsgefangenen im Feindesland ist aus-
schließlich das gemeinsame Zentral-Nachweise-Bureau, zugleich Hilfs- und Aus-
kunftsstelle für Kriegsgefangene und Internierte, Wien, 1. Bez., Jasomirgottstraße
Nr. 6, berufen.“182
Die meisten Anfragen erhielten die Zeitungen anscheinend immer zu jenen Zeiten,
in denen das Versenden privater Feldpostpakete vorübergehend eingestellt wurde.
Die erste Einstellung erfolgte Anfang September183 durch das k. k. Handelsminis-
terium und das Kriegsministerium: „Auf viele Anfragen aus Leserkreisen wieder-
holen wir die Mitteilung [..., dass bis auf Weiteres] Pakete im Feldpostverkehr (an
Personen der Armee im Felde) von Privaten nicht aufgegeben werden können.“184
Zugelassen wurde der Paketverkehr wieder am 20. September. Die Pakete durften
182 Die Zitate stammen aus: Briefkasten der Schriftleitung, in: Grazer Tagblatt, 5.9.1914, 4; Briefkas-
ten der Schriftleitung, in: Grazer Tagblatt, 14.11.1914 (2. Morgenausgabe), 14; Briefkasten der
Schriftleitung, in: Grazer Tagblatt, 29.10.1914, 7.
183 Feldpostverkehr, in: Grazer Tagblatt, 5.9.1914 (Abendausgabe), 2.
184 Kein Feldpostpaketverkehr, in: Grazer Tagblatt, 12.9.1914, 2. Zum geografischen Wirkungsbe-
reich der „Armee im Felde“ siehe das Kapitel: Vier Leitpanoramen.
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453