Seite - 287 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Hamsterkäufe | 287
stimmungen über die Versorgung der Bevölkerung mit unentbehrlichen Bedarfs-
gegenständen getroffen“ wurden, ahndete mehrere Formen von „Preistreiberei“
(künstliche Verknappung, Warenaufkauf).205 Die „Kaiserliche Verordnung vom
12. Oktober 1914 über den Wucher“ erweiterte das Pensum an Strafbestimmun-
gen.206 Im Verlauf des Kriegs wurden die einzelnen Tatbestände in puncto „Preis-
treiberei“ noch weiter ausgeweitet und präzisiert.207 Die Statthalterei trat den Preis-
steigerungen mit einer Festsetzung von Maximaltarifen entgegen. Das erste große
Pensum an Maximaltarifen setzte sie am 12. August fest.208 Anfang September
wurden einige der Maximalpreise für den Kleinverkauf wieder aufgehoben, andere
wurden neu bemessen.209 Bereits wenige Tage nach der Kriegserklärung an Ser-
bien, am 1. August, limitierte die Statthalterei auch den Privateinkauf auf drei Ki-
logramm Mehl und Reis sowie auf fünf Kilogramm Zucker pro Tag.210 Die Gewer-
besparten, wie zum Beispiel die Bäckereien oder die Gasthäuser, waren davon
nicht betroffen.211 Am 28. November wurden die Bestimmungen für den Detail-
verkauf von Zucker wieder außer Kraft gesetzt.212 Die Preissteigerungen kamen
aus mehreren Gründen zustande. Als Ursachen zählen einerseits das größere An-
kaufen von amtlicher Seite, die oft die eigenen Höchstpreise missachtete213, ande-
rerseits das Zurückhalten von Waren und die dadurch entstandene künstliche Ver-
knappung. Darüber hinaus bedingte das Festsetzen von Maximaltarifen das
Ausbleiben von bestimmten Lieferungen.214 Ebenso waren die Höchstpreise für
den Detailhandel im Vergleich zu den tatsächlich ausgeschriebenen Preisen „oft
illusorisch.“215 Außerdem beanstandeten die Zeitungen die Tatsache, dass viele
Kaufleute dem behördlich vorgeschriebenen Angeben der Preise nur sporadisch
205 RGBl. Nr. 194/1914.
206 RGBl. Nr. 275/1914.
207 Breiter (1991), 52–53.
208 Siehe die einzelnen preispolitischen Kundmachungen im Amtsblatt der landesfürstlichen Haupt-
stadt Graz. Die Maximaltarife bzw. die Höchstpreise wurden während des Kriegs zu „Mindest-
preisen“, vgl. Hautmann (1987), 39.
209 Änderung des Maximaltarifes, in: Grazer Tagblatt, 5.9.1914, 11; Ein neuer Maximaltarif, in: Ar-
beiterwille, 5.9.1914, 2.
210 Detailverkauf von Mehl, Reis und Zucker, Verordnung der Statthalterei vom 1.8.1914, in: Landes-
gesetz- und Verordnungsblatt für das Herzogtum Steiermark (4.8.1914), 135.
211 Der Detailverkauf von Mehl, Reis und Zucker, in: Steiermärkisches Gewerbeblatt, 1.8.1914, 2.
212 Über die Abänderung der Verordnung vom 1. August, Verordnung der Statthalterei vom
28.11.1914, in: Landesgesetz- und Verordnungsblatt für das Herzogtum Steiermark (4.12.1914),
197.
213 Moll (2014), 89.
214 Moll (2010), 449.
215 Preissteigerungen, in: Grazer Mittags-Zeitung, 7.10.1914, 3.
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453