Seite - 316 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Alltag und
Einheitsprüfungen316
zumal die Tage bis Allerheiligen immer weniger wurden.354 Schon im September
beschloss die evangelische Johanniskirche, dass sie eine Namenstafel mit allen im
Krieg gestorbenen Soldaten ihrer (evangelischen) Gemeinde aufstellen werde.355
Im Oktober stellte eine Grazerin in Aussicht, dass ihr Grabdenkmal am St. Peter
Friedhof in ein Kriegerdenkmal umgewidmet werden könne.356 An diesem hätte
man dann die Namen der toten Soldaten der Pfarre angeführt. Aus den gedruck-
ten Pfarrberichten und Pfarrgeschichten der späteren Jahre357 geht jedoch hervor,
dass einige der in den Zeitungen zur Sprache gekommenen Vorschläge und Vor-
haben bezüglich des Totengedenkens am Ende nicht realisiert wurden. Für das
am 24. Dezember eingeweihte „Kriegergrab“ am Grazer Zentralfriedhof gilt dies
nicht.358 Dafür wurden die verstreuten Gräber der in Graz an ihren Kriegswunden
erlegenen Soldaten in eine eigene Zone am Zentralfriedhof verlegt. Zu Weihnach-
ten lagen dort bereits über 100 Soldaten begraben. Unentgeltlich zur Verfügung
gestellt wurde dieser Bereich von der Stadtpfarre selbst. Errichtet wurde die Anlage
von der Stadtgemeinde.
Unmittelbar vor Allerheiligen 1914 eröffnete ein Festkomitee den Urnenhain
am evangelischen Friedhof (30.
Oktober).359 Hierbei handelte es sich um den ersten
Urnenhain, der im „katholischen Österreich“ errichtet wurde. Der Grazer Zweig-
verein des Vereins „Die Flamme“, der 1914 sein zehnjähriges Gründungsjubiläum
feierte und sich seit seinem Bestehen massiv für die Legitimation und Verbrei-
tung der Feuerbestattung einsetzte, initiierte diesen Hain (ohne Krematorium).
Obmann des Zweigvereins war zu dieser Zeit der Gerichtsmediziner Julius Kratter
(1848–1926). Kratter war in der Burschenschaft Arminia, zudem führendes Mit-
glied des Vereins Südmark sowie Rektor der Universität Graz (1909–1910). Vor
354 Allgemeines zu den steirischen Kriegerdenkmälern in: Riesenfellner (1994).
355 Zum ewigen Gedächtnisse der gefallenen Krieger, in: Grazer Tagblatt, 19.9.1914 (Abendaus-
gabe), 2.
356 Ein Kriegerdenkmal im St. Peter-Friedhof, in: Grazer Tagblatt, 12.10.1914 (Abendausgabe), 3.
357 Vgl. z. B. Bericht des Presbyteriums der evangelischen Pfarrgemeinde A. u. H. B., Graz, linkes
Murufer über das Jahr 1914 (1915).
358 Die Ausführungen über das Grazer „Kriegergrab“ stützen sich u. a. auf: Ein Ehrengrab für gefal-
lene Krieger, in: Grazer Tagblatt, 1.10.1914 (2. Morgenausgabe), 2; Ein Kriegerfriedhof in Graz,
in: Grazer Tagblatt, 10.10.1914 (Abendausgabe), 3; Vom Militärfriedhof, in: Grazer Mittags-
Zeitung, 20.10.1914, 3; Kriegergrab, in: Arbeiterwille, 20.11.1914 (Abendausgabe), 2; Ein Krie-
gerfriedhof am Zentralfriedhof, in: Arbeiterwille, 23.12.1914, 3. Vgl. zudem den Lexikonartikel
„Zentralfriedhof“ in: Reismann/Mittermüller (2003), 542.
359 Einweihung des ersten Urnenhaines in Österreich, in: Grazer Tagblatt, 28.10.1914 (Abendaus-
gabe), 3; Die feierliche Einweihung des Urnenhaines, in: Grazer Tagblatt, 30.10.1914 (Abendaus-
gabe), 8.
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453