Seite - 317 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Kirchen und Friedhöfe | 317
Kriegsausbruch umfasste die Grazer Ortsgruppe des Vereins „Die Flamme“ nach
eigenen Angaben 90 Mitglieder.360 In den ersten Kriegsmonaten kamen nach dem
Jahresversammlungsbericht (März 1915) neun weitere Mitglieder hinzu. Über die
Geschichte dieses nur spärlich erforschten Vereins finden sich in der Literatur wi-
dersprüchliche Angaben.361 Weder wurde bis dato dessen Gründungsgeschichte
hinreichend beschrieben, noch wurden die – anscheinend dem Verein innewoh-
nenden – Spannungen zwischen den deutschnationalen und sozialdemokratischen
Kräften materialreich herausgearbeitet. Tatkräftig unterstützt wurde der Grazer
Zweigverein von der deutschnationalen Grazer Presse, in der sich auch die ers-
ten Parten (Todesanzeigen) von bevorstehenden Urnenbeisetzungen fanden.362 Es
waren nicht zuletzt die deutschnationalen Zeitungen, in denen der Verein „Die
Flamme“ regelmäßig annoncierte. Der Arbeiterwille, der prinzipiell für die (kos-
ten- und raumsparende sowie hygienische) Feuerbestattung eintrat363, hielt sich
aber 1914 bezüglich des Vereins „Die Flamme“ sowie hinsichtlich der Eröffnung
des Urnenhains augenfällig zurück. Des Weiteren waren keine prominenten so-
zialdemokratischen Politiker und Politikerinnen bei der Eröffnung des Urnen-
hains anwesend. Auf jeden Fall steht davon nichts in der Endberichterstattung des
Tagblatts, die einige prominente deutschnationale Ehrengäste, wie zum Beispiel
den Reichsratsabgeordneten Franz Held, nennt.364 Ebenso waren meinen Nachfor-
schungen zufolge keine Sozialdemokraten oder Sozialdemokratinnen im Vereins-
Ausschuss des Grazer Zweigvereins.365 Graz verfügte seit Ende Oktober 1914 über
einen Urnenhain, aber über kein Krematorium. Die erste Feuerhalle der Republik
Österreich war jene des „Roten Wiens“ (die 1922 eröffnete Feuerhalle Simmering).
Zehn Jahre später, im Jahr 1932, verfügte auch Graz über ein Krematorium mit
360 Für das Folgende vgl. den Bericht über die Jahresversammlung der Grazer Ortsgruppe des Ver-
eins „Die Flamme“ in: Verein für Feuerbestattung „Die Flamme“, in: Grazer Tagblatt, 31.3.1915
(2. Morgenausgabe), 3.
361 Zur Geschichte dieses Vereins sowie zur Feuerbestattung in Österreich im Allgemeinen vgl.
Krammer (2014) und die von ihm verwendete Literatur.
362 Hier nur zwei Beispiele aus dem Tagblatt: Der Urnenhain des Grazer evangelischen Friedhofes,
in: Grazer Tagblatt, 6.2.1914 (Abendausgabe), 2; Vom Zweigverein „Steiermark“ des Vereines
der Freunde der Feuerbestattung „Die Flamme“, in: Grazer Tagblatt, 20.2.1914, 3. Vgl. ferner
die mehrmals abgedruckte Standardtype: Verein für Feuerbestattung „Die Flamme“, in: Grazer
Tagblatt, 4.11.1914 (2. Morgenausgabe), 9. Zu den Parten (Todesanzeigen) vgl. Anna Jutmann
[Parte], in: Grazer Tagblatt, 29.10.1914, 9.
363 Im Pfaffenstaat, in: Arbeiterwille, 27.3.1909, 8; Die Feuerbestattung, in: Arbeiterwille, 27.11.1917, 1.
364 Die feierliche Einweihung des Urnenhaines, in: Grazer Tagblatt, 30.10.1914 (Abendausgabe), 8.
365 Verein für Feuerbestattung „Die Flamme“, in: Grazer Tagblatt, 31.3.1915 (2. Morgenausgabe), 3.
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453