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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Seite - 356 -
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| Alltag und Einheitsprüfungen356 war lange Zeit nicht nur darüber enttäuscht, dass die Uniformen an die auf einer „niedere[n] Kulturstufe stehende[n] Feinde“551 erinnerten, sondern prinzipiell von jedem Menschen, der sich nicht an den Modeboykott hielt. Etwaige Trendberichte in puncto Pariser Modeneuheiten, die noch Anfang August gedruckt wurden, ver- schwanden schnell.552 Neben der steirischen Landesgenossenschaft der Kleiderma- cher553 und dem Publikationsorgan für Handels- und Gewerbetreibende554 forderte im August auch die Grazer Ortsgruppe der Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs (ROHÖ) den Kaufboykott.555 Mit Selbsthilfeprogrammen für den Mit- telstand unterstützte die Grazer ROHÖ von Beginn an die Kriegsanstrengungen (In einigen anderen cisleithanischen Städten waren ROHÖ-Ortsgruppen erst im Entstehen begriffen).556 Die Mode aus Paris und London war unverkennbar in der bürgerlichen Presse verpönt. Die Frage ist nun, ob die Grazerinnen und Grazer dem Modeboykott folgten, indem sie keine „fremdländische“ Mode mehr trugen, geschweige denn kauften. Die Mittags-Zeitung schrieb diesbezüglich, dass es auf den „Straßen unserer Stadt [...] leider noch immer eine große Anzahl von Frauen und Mädchen [...  gebe], die in den blödsinnigen Pariser Kleidern herumlaufen“ würde.557 Die bürgerliche Presse, die sehr genau den Alltag gemäß ihren eigenen gesellschaftspolitischen Vorstellungen observierte und mit erhobenem Zeigefinger zu ordnen versuchte, brachte mehrmals ihr Unverständnis gegenüber jenen Leuten zum Ausdruck, die sich trotz unzähliger Zeitungsanweisungen nicht an die neuen „deutschen“ Einkleidungsvorgaben hielten. Die meisten dieser Artikel drehten sich um junge Frauen und Mädchen aus den einkommensstärkeren Milieus. Sie seien es hauptsächlich, die die neuen Einkleidungsvorschriften missachten würden. Dementsprechend hätten sie „weder Gemüt noch patriotisches Empfinden“, wie die Mittags-Zeitung in ihrem spöttisch-überheblichen Artikel „Modetorheiten“ feststellte.558 Wenngleich sich die Gründe hinter dem Tragen stigmatisierter Mode nicht aus der Presse erschließen lassen, kann man dennoch annehmen, dass die Grazer Bevölkerung nicht von heute auf morgen ihren gesamten Kleiderschrank auswechseln konnte. Das gilt insbesondere für diejenigen Milieus, die sich jahre- 551 Vom städtischen Sicherheitswachkorps, in: Grazer Mittags-Zeitung, 9.11.1914, 3. 552 Was die Mode bringt, in: Grazer Vorortezeitung, 2.8.1914, [Der Artikel befindet sich in der zwei- blättrigen Beilage]. 553 Los von Frankreich und England, in: Grazer Volksblatt, 16.8.1914, 4. 554 Die Boykottbewegung gegen französische Waren, in: Steiermärkisches Gewerbeblatt, 15.8.1914, 2. 555 Los von Paris!, in: Allgemeine Frauen-Zeitung (1914), Nr.  5, 1. 556 So existierte z.  B. die Ortsgruppe Innsbruck erst ab 1915, vgl. Walder (2010), 172. 557 Ein Mahnwort an unsere deutschen Frauen, in: Grazer Mittags-Zeitung, 8.9.1914, 3. 558 Modetorheiten, in: Grazer Mittags-Zeitung, 19.9.1914, 4.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Titel
Graz 1914
Untertitel
Der Volkskrieg auf der Straße
Autor
Bernhard Thonhofer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln- Weimar
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Abmessungen
17.4 x 24.5 cm
Seiten
510
Schlagwörter
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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