Seite - 417 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Verbliebene „Kriegsfreizeit“ | 417
rezensierten und oft ausverkauften Vorstellungen (dem Gebot der Stunde folgend)
dem Roten Kreuz gespendet wurden. Von Mitgliederschwund bzw. von Personal-
mangel waren auch andere Gesellschaftsbereiche betroffen. Dies gilt insbesondere
für die Grazer Fußballklubs, die nach der Sommerpause in arge Bedrängnis gerie-
ten. Liest man sich die Sportrubriken der Tageszeitungen durch, erfährt man zwar
einerseits, dass die beiden großen, aber noch „jungen“ Grazer Klubs882 mehrere
Benefizspiele für das Rote Kreuz absolvierten (z. B. zu Allerheiligen883). Anderer-
seits berichteten die Zeitungen von den Problemen aufgrund des reduzierten Spie-
lerkaders. Eine Folge davon war, dass manche Spiele abgesagt werden mussten.
Unmittelbar vor Kriegsausbruch wurde beispielsweise das wichtige Spiel zwischen
Sturm Graz und Rapid Wien abgesagt.884 Wichtig deswegen, weil so dem Grazer
Klub die Möglichkeit verwehrt wurde, seine „Erstklassigkeit“ unter Beweis zu stel-
len: Sturm Graz blieb daher offiziell gesehen „zweitklassig“. Abseits dieses Spiels
wurden noch andere Spiele abgesagt. In einem Fall war zwar ein Spiel angesetzt,
aber eine der beiden Mannschaften erschien nicht am Platz.885 Die wenigen Spiel-
monate des Kriegsjahrs 1914 gestalteten sich daher für den Grazer Fußball als äu-
ßerst ungünstig bzw. schwierig. Prinzipiell lässt sich aber sagen, dass der Fußball-
sport in den Kriegsjahren an Breitenwirkung gewann. Er wurde zu einem
„Massenereignis mit Massenpublikum.“886 Das ist aber nicht eins zu eins auf die
vereinseingetragenen Fußballklubs übertragbar. In Wien verlief offenbar der regu-
läre Spielbetrieb mehr oder minder „ungestört weiter.“887 In Graz kämpfte allem
Anschein nach vor allem der Fußballklub „Grazer Sportvereinigung“ um seine
Existenz (Nach dem Krieg wurde er aufgelöst). Von den Kriegserschwernissen wa-
ren auch die anderen Sportvereine betroffen. Die rege Tätigkeit der Grazer jüdi-
schen Gemeinde kam, wie man beispielsweise am Jüdischen Turnverein „Mak-
kabi“ Graz erkennen kann, in den Kriegsjahren zum Erliegen.888 Besonders hart
traf es das „slawische“ Vereinswesen – einige Vereine wurden behördlich geschlos-
sen. Sieht man einmal von den Bädern und den Vereinen ab, gab es nur sehr we-
nige Dinge, die man in seiner „Kriegsfreizeit“ tun konnte. Intensiv aufgesucht wur-
882 Es handelt sich hierbei um den „Grazer Fußballclub Sturm“ (seit 1909) und den „Grazer AK“ (seit
1902).
883 Fußball-Wettspiel zu Gunsten des „Roten Kreuz“, in: Grazer Mittags-Zeitung, 31.10.1914, 3.
884 Abgesagte Fußballwettspiele, in: Tagespost, 28.7.1914, [ohne Seitenangabe].
885 Grazer Fußballsport, in: Grazer Tagblatt, 9.11.1914 (Abendausgabe), 4. Der „Grazer AK“ hätte
gegen die (nicht erschienene) „Grazer Sportvereinigung“ spielen sollen.
886 Sandgruber (1995), 326.
887 Horak (2008), 224.
888 Halbrainer (2004), 178.
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453