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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Seite - 448 -
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| Schlussbetrachtung448 wachung nicht die eine Norm gab, verdeutlicht das der Einheitsbildung innewoh- nende Moment des nahezu unkontrollierbaren Hin-und-her-Pendelns zwischen Kontrolle und Schutz (zwischen Verdacht und Vorwurf). Jeder und jede konnte der Feind von morgen sein. Zumindest in den Augen anderer. Das Risiko, auf der Straße (unangekündigt) zusammengeschlagen zu werden, war im Krieg deutlich höher als in der Vorkriegszeit, was unter anderem ein Indikator für die im Krieg graduell steigende Gewaltbereitschaft (aber nicht im Sinne einer allgemeinen „Brutalisierung“) ist. Das alles zeigt, dass in Anbetracht der demoskopisch kleinen und auf die letzten Julitage beschränkten „patriotischen“ Straßenumzüge der Alltag im Großen und Ganzen von einer enormen Unsicherheit, Unbeholfenheit, Unklarheit und Unwis- senheit geprägt war. Die Schaffung eines überwachungsfreien Schonraums wurde aufgrund der städtischen Konflikte zu einem seltenen Erlebnis, das sich weitge- hend auf die eigene Wohnung oder das eigene Zimmer beschränkte. Denn auf der Straße konnte man sich dem visuellen und akustischen Kriegseinbruch/Kriegsaus- bruch nicht entziehen, zumal man dem Krieg mit all seinen Folgen auf Schritt und Tritt im Alltag begegnete: „Halb 7  Uhr schon – und was gibt’s noch alles zu tun, bevor wir das Tagewerk beginnen können! Toilette, Frühstück, Morgenblatt lesen, Einkäufe. Endlich sind wir fertig – zum Ausgehen heißt das. Wir sind schon an der Tür, da fällt unser Blick auf den Platz vor dem Kachelofen in der Ecke. Auch dort eine Mahnung an den Ernst der Zeit! Zu einem Haufen geschlichtet das gesamte Friedensrüstzeug des Kriegers, der Inhaber der Woh- nung ist: Sägen, Hämmer, Hobel, Schraubstöcke u.  s.  f. Sie haben jetzt alle Ferien auf weiß Gott wie lange Zeit. Doch zu Reflexionen bleibt uns keine Zeit, es ist nahezu 7  Uhr. Also fort! Aber wir sind noch nicht an der Straßenecke – weil’s den Leser vielleicht inte- ressiert, wollen wir ihm verraten, daß es die Kreuzung Leonhardstraße-Schillerstraße- Lichtenfelsgasse ist – , da haben wir den Krieg schon wieder vor der Nase. Eine Dame mit breiter Binde vom Roten Kreuz am linken Arm steht dort vor einem Jungen, auf den sie lebhaft einspricht.“85 Dieser Artikel schildert für mich, dass einem der Krieg mit allen seinen Facetten fortwährend im Alltag begegnete. Was sonst. Auch die unterschiedlichen und teil- weise widersprüchlichen Einheitsarbeiten sah man täglich. Zur Beschreibung die- ser Alltagsmomente griffen die Grazer Zeitungen aber nur selten auf den Begriff „Burgfrieden“ zurück. Meistens warf man dem Gegner/der Gegnerin „unpatrio- 85 Ein Morgenspaziergang in Graz am 4. August 1914, in: Grazer Tagblatt, 5.8.1914, 2.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Titel
Graz 1914
Untertitel
Der Volkskrieg auf der Straße
Autor
Bernhard Thonhofer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln- Weimar
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Abmessungen
17.4 x 24.5 cm
Seiten
510
Schlagwörter
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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