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1.
Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von
internationaler Kooperation und Konkurrenz
1.1 Internationalisierungsprozesse in der Radioaktivitäts- und
Kernforschung : Eine Skizze
Bevor die mächtigsten Industriestaaten in den 1940er und 1950er Jahren begannen,
die Kernforschung vollkommen von nationalen Zielsetzungen zu überformen, war
Radioaktivitätsforschung das Projekt einer international vernetzten Wissenschaftsge-
meinschaft. Deren Mitglieder nannten sich selbst »Radioaktivisten«, wobei der zeitge-
nössische Begriff »radioactivists« mittlerweile in die englisch- beziehungsweise deutsch-
sprachige Wissenschaftshistoriographie Eingang gefunden hat.1 Die internationale
Mobilität der Radioaktivisten ging einher mit der Zirkulation radioaktiver Präparate,
die verkauft, verliehen und getauscht wurden. Radioaktivitätsforschung fand an vielen
Orten der Welt statt. Doch vor dem Ersten Weltkrieg dominierten im Wesentlichen
vier europäische Zentren das Geschehen : das Laboratoire Curie in Paris, das Labor
Ernest Rutherfords in Manchester, das Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) für Chemie in
Berlin sowie das Wiener Institut für Radiumforschung.2
Die Radioaktivität war anfangs zugleich Objekt und Mittel der Forschung. Es galt,
die Eigenschaften instabiler Atomkerne zu untersuchen, die zerfielen und dabei ioni-
sierende Strahlung aussandten. Doch diente die radioaktive Strahlung auch dazu,
durch den gezielten Beschuss eines Elements die Folgereaktionen zu beobachten. Die
Methode, mit schnellen α-Teilchen Atomkerne zu beschießen, Elemente künstlich
umzuwandeln und dadurch Erkenntnisse über den subatomaren Aufbau der Materie
zu gewinnen, wurde in den 1920er Jahren bestimmend für die Atomzertrümmerungs-
forschung. Diese mündete in den 1930er Jahren in die eigentliche Kernforschung.3
Nachdem atom- und teilweise molekülphysikalische Probleme gelöst schienen, rückten
Phänomene in den Vordergrund, die im Innern des Atomkerns und in der kosmischen
1 Der britische Wissenschaftshistoriker Jeffrey Hughes greift die (Selbst-)Bezeichnung »radioactivists« in
seiner Dissertation auf und verwendet sie durchgängig. Vgl. Hughes 1993. Siehe zur Verwendung im
deutschsprachigen Raum Ceranski 2008b, 93.
2 Vgl. Hughes 1993, Chapter 1, 5–6, und zum deutschsprachigen Raum Ceranski 2005a, Kapitel 2.
3 Vgl. Rechenberg 2003, 141.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369