Seite - 226 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Kernforschung in Österreich,
1932–1938226
Da die Aussichten, im benachbarten Ausland eine bezahlte Anstellung zu finden oder
die eigene berufliche Situation auch nur graduell zu verbessern, nicht allzu rosig waren,
blieb der harte Kern in den 1930er Jahren an Ort und Stelle.213 Gerhard Kirsch, Georg
Stetter und andere zogen es vor, in Österreich jede sich bietende Chance für ein beruf-
liches Weiterkommen zu nutzen. Damit verschärften sich jedoch die Kämpfe der jün-
geren Generation mit den Etablierten um die immer knapper werdenden Ressourcen.
4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt
4.3.1 Sparmaßnahmen
1932 kam mit Engelbert Dollfuß ein nationalkonservativer Politiker an die Macht, der
den Weg zur Diktatur des autoritären Ständestaates ebnete. Im März 1933, nach dem
Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise, begann er seinen autoritären Regierungskurs, der
von einer instabilen Koalition aus Christlichsozialer Partei, der agrarischen Großdeut-
schen Partei und den paramilitärischen Heimwehren gestützt wurde. Staatliche Vertre-
ter griffen nun – anders als in den Jahren davor – massiv in den Wissenschaftsbetrieb
ein. Die wissenschaftspolitischen Maßnahmen der Regierung wurden von einschnei-
denden staatspolizeilichen Eingriffen flankiert. Dies stellte zunächst eine Antwort auf
die eskalierende Situation an den Universitäten des Landes dar, an denen nationalsozi-
alistisch gesinnte Studierende ihre politischen Gegner offen bekämpften.214 Schon seit
Herbst 1932 war die Polizei an den Hochschulen präsent, so dass die Universitätslei-
tung kein freies Verfügungsrecht mehr über die Universitätsgebäude hatte.215 Nach
massiven antijüdischen Exzessen an der Universität Wien ließ die Regierung Dollfuß
seit Mai 1933 die Polizei auch innerhalb der Hochschule eingreifen. Im Sommer 1933
setzte sie durch mehrere Erlässe der Hochschulautonomie ein Ende. Die Regierung
übernahm damit nicht nur die Kontrolle über die sogenannte Ausländerinskription,
die insbesondere Studierende aus dem Deutschen Reich betraf, sondern führte auch
eine Ausweispflicht im Universitätsgebäude ein, errichtete Polizeiwachstuben und ver-
bot es, Aushänge an den Hochschulen anzubringen. Es folgte das Verbot der national-
sozialistisch orientierten Deutschen Studentenschaft und die Liquidierung ihrer Wohl-
fahrtseinrichtungen. Schließlich behielt sie sich das Recht vor, Professoren aus politi-
schen Gründen in den Vorruhestand zu schicken.216
213 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 13, Fiche 207 : Meyer an Hess vom 20.5.1936.
214 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 10, Fiche 156 : Benndorf an Meyer vom 7.2.1933.
215 Vgl. Wohnout 1994, 4.
216 Vgl. Höflechner 1994, 73 ; Höflechner 1993, 114–119.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369