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Das Zentrum (re-)formiert sich 109
im In- und Ausland zu beschaffen.70 Die Unterstützung bei der Wahl zum wirklichen
oder korrespondierenden Mitglied der Wiener Akademie spielte ebenfalls eine wich-
tige Rolle, um die Konkurrenz der Exner-Schüler um knappe Ressourcen auf symbo-
lische Art und Weise zu entschärfen.71
Während der Kontakt mit dem Ausland manchem Exner-Schüler Zugang zu be-
trächtlichen Ressourcen eröffnete, bildete das Netzwerk für andere ohne Verbindungen
ins Ausland oft die einzige Möglichkeit, um außerhalb der staatlichen Zuwendungen
an Forschungsmaterial zu gelangen. Die Wiener Institute und insbesondere das Insti-
tut für Radiumforschung gehörten im nationalstaatlichen Kontext tendenziell zu den
Gebern, während die akademische Provinz Graz und Innsbruck tendenziell zu den
Nehmern des Austausches zählte.
3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich
3.3.1 Wiederaufleben des internationalen Netzwerks
Während das auf den deutsch-österreichischen Sprachraum konzentrierte Netzwerk des
Exner-Kreises den Krieg ohne Schaden überdauert hatte, kostete es Zeit und Energie,
die wissenschaftlichen und persönlichen Kontakte ins Ausland zu reaktivieren und sich
wieder als internationale Akteure ins Spiel zu bringen. Österreicher wurden im inter-
nationalen Wissenschaftsverkehr wegen ihrer patriotischen Unterstützung des Habs-
burger Kaiserhauses und der Waffenbrüderschaft mit dem Deutschen Reich geächtet.
Die Rückkehr in vor dem Krieg gegründete Institutionen wie die Internationale Atom-
gewichtskommission wurde ihnen ebenso verwehrt wie ihren deutschen Kolleginnen
und Kollegen.72 Auch fanden Initiativen, den internationalen Wissenschaftsverkehr
durch neugeschaffene Institutionen wieder in Gang zu bringen, vorerst ohne deutsche
und österreichische Beteiligung statt.73
Der von französischen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen dominierte,
1919 gegründete Conseil International de Recherches/International Research Coun-
cil (IRC), eine internationale Organisation für die Naturwissenschaften mit Sitz in
Brüssel, boykottierte den Beitritt von Interessierten aus den einstigen Feindstaaten.74
70 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 15, Fiche 238 : Kohlrausch an Meyer vom 28.4.1928 (Anschaf-
fung eines Mikrophotometers).
71 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 10, Fiche 156 : Benndorf an Meyer vom 16.3.1933.
72 Vgl. Hahn 1962, 64–65.
73 Vgl. Greenaway 1996, 24 ; Crawford 1988, 49–78.
74 Siehe zum IRC Grau 2000, 293–294 ; Cock 1983, 249. 1919 war außerdem die Union Internationale de
Chimie Pure et Appliquée/International Union of Pure and Applied Chemistry gegründet worden, der
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369