Seite - 320 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Bild der Seite - 320 -
Text der Seite - 320 -
Kernforschung für die Alliierten – ein
Epilog320
der ausreichend Untersuchungsmaterial noch ein Einkommen hatte.69 Spätestens im
Frühjahr 1953 zeichnete sich ab, dass die US-amerikanischen Besatzungsbehörden
Stetter loswerden wollten. Offenbar versprachen sie sich von dessen wissenschaftlichen
Aktivitäten nichts mehr. Stetter und sein Assistent Josef Somolyai sollten umgehend
das Zeller Labor räumen.70 Im Januar 1953 berief das Bundesunterrichtsministerium
Stetter zum Vorstand des I. Physikalischen Instituts der Universität Wien. Ob US-
amerikanische Behörden darauf Einfluss nahmen, dass Stetter sich in Österreich beruf-
lich rehabilitieren konnte, geht aus den Quellen nicht hervor.71
Insgesamt wurde bei der Besetzung universitärer Stellen im Nachkriegsösterreich
eine restaurative Politik verfolgt, die dazu führte, dass viele politisch belastete Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftler an ihre Kriegskarrieren anknüpften. Die Bedin-
gungen des Kalten Krieges erlaubten es Kernphysikerinnen und Kernphysikern in
Österreich zudem, unbelastet von andernorts auferlegten Restriktionen für die Kern-
forschung mit dem Wiederaufbau der Forschungsanlagen zu beginnen und Anschluss
an während des Krieges unterbrochene internationale Netzwerke zu suchen. Über das
US-amerikanische Atoms for Peace-Programm kehrten sie in den internationalen For-
schungskontext der Kern- und Hochenergiephysik zurück und trieben das Projekt zur
friedlichen Nutzung der Kernenergie energisch voran.72
6.3 Kernforscher aus Österreich : Keine Munition im »Arsenal des
Wissens«
Den alliierten Geheimdiensten ging es während des Krieges und in der unmittelbaren
Nachkriegszeit vor allem darum, genaue Informationen über den Stand der Forschung
und das Fortschreiten des deutschen Kernenergieprojekts zu erlangen. Doch mit dem
heraufziehenden Kalten Krieg änderte sich die Zielrichtung : Um ihre als militärisch-
69 Vgl. NARA, RG 319, Box 222D, XA001081 : CIC Salzburg, Memorandum for the Officer in Charge re
Stetter, Georg, vom 8.4.1948.
70 Vgl. NARA, RG 319, Box 221D, XA001081 : Bothwell an Carpenter, undatiert [9.3.1953]. Bereits
1951 hatte der zuständige US-Verbindungsoffizier Everett Cunningham Stetter nahegelegt, das Labor
in der Außenstelle des CIC in Zell aufzugeben ; Mitarbeiter der Außenstelle hätten sich nämlich über
die »Schweinerei« Somolyais echauffiert, der personelle Veränderungen in der Außenstelle dazu genutzt
habe, seine zahlreichen Freundinnen in das Labor mitzubringen. Stetter sollte sich deshalb eine andere
Räumlichkeit suchen, für die das CIC die Miete übernehmen würde. Vgl. NARA, RG 319, Box 221D,
XA001081 : Cunningham an Windmoeller vom 14.5.1951.
71 Vgl. NARA, RG 319, Box 222D, XA001081 : Robert T. Teien (CIC Vienna) re Stetter, Dr. Georg vom
März 1953.
72 Vgl. Forstner 2012, 159–171.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369