Seite - 193 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Bild der Seite - 193 -
Text der Seite - 193 -
Das Zentrum behauptet sich 193
laubten es, für die damalige Zeit sehr starke Neutronenquellen auf der Grundlage von
Radium beziehungsweise Polonium herzustellen.
4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung
Wie bereits erwähnt, befand sich das Institut für Radiumforschung mit dem Institut
du Radium in Paris seit mehreren Jahren in einem regelrechten Wettlauf um die Her-
stellung hochleistungsfähiger Poloniumpräparate. Bei diesem Wettstreit hatte das
Wiener Institut regelmäßig die Nase vorn. In den frühen 1930er Jahren rückten Polo-
niumpräparate mit einer Stärke von bis zu 70.000 elektrostatischen Einheiten in den
Bereich des Möglichen.70 1933 erreichte der Wettstreit zwischen Wien und Paris sei-
nen Höhepunkt. Ein Präparat von 80.000 elektrostatischen Einheiten, das Rona in
Wien erstellt hatte, ermöglichte ganz neue Untersuchungen an schwereren Elementen,
wie Pettersson der Rockefeller Foundation im Sommer 1933 triumphierend mitteilte :
»I am enclosing a stereograph of our large Wilson [Chamber, S. F.] showing you tracks ema-
nating from pure Xenon bombarded in a perforated box with Alpha-particles from a strong
Polonium source, […] some 57 mg Ra equivalent […]. Not even in Paris have they suc-
ceeded in making sources of this concentration. Thanks to this intense source we were able
to photograph both the scattered and the ›new‹ particles from Xenon.«71
Der Wettbewerb zwischen Wien und Paris verlief freundschaftlich ; beide Seiten stan-
den in regem wissenschaftlichen Austausch.72 Ronas Konkurrentinnen und Konkur-
renten am Institut du Radium äußerten sich voller Hochachtung über die Wiener
Erfolge bei der Herstellung der natürlichen Strahlungsquellen.73 Beide Institute er-
hielten von der Union Minière Radium D, das als Ausgangssubstanz für Poloniumprä-
parate mehr und mehr in den Fokus der internationalen Radioaktivistengemeinschaft
rückte. Meyer vergaß nicht, bei dem von ihm vermittelten Radiumtransfer von Brüssel
nach München die Interessen des Instituts für Radiumforschung zu wahren. Eindring-
lich mahnte er Hönigschmid, bei den Verhandlungen mit der Union Minière über die
Herstellung neuer Radiumstandards auch an die Wiener Bedürfnisse zu denken :
»Wenn es dazu kommt, so verlange, bitte, möglichst alte Präparate, damit die RaD-
Ausbeute für uns eine gute wird.«74 Das Institut erhielt 1931 zudem vom Radium
70 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 14, Fiche 232 : Kara-Michailova an Meyer vom 25.9.1933.
71 RAC, RF, RG 1.1, Series 705D, Box 3, Folder 25 : Pettersson an Jones vom 24.7.1933.
72 Vgl. MC, ALC, Fiche 1990–2 : Chamié an Rona vom 26.10.1932.
73 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 17, Fiche 284 : Pettersson an Meyer vom 29.3.1936.
74 AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 14, Fiche 223 : Meyer an Hönigschmid vom 26.4.1933.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369