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Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«,
1938–1945304
ten ohne Ergebnis ab, als das I. Physikalische Institut im März 1945 evakuiert wur-
de.351
5.4 Das Kriegsende
Die Arbeitsverhältnisse verschlechterten sich in Wien seit 1944 rapide. Im Februar
1944 erhielt das Vierjahresplaninstitut den Befehl, die laufenden Forschungsarbeiten
nach Niederösterreich zu verlagern und dort fortzusetzen.352 Der bereits zur Hälfte
bezahlte Neutronengenerator aus Hamburg sollte in einer Turnhalle der niederösterrei-
chischen Stadt Mautern an der Donau nahe Krems errichtet werden.353 Die Bombar-
dierung der Eisenbahnstrecke verhinderte jedoch, dass der bereits fertiggestellte Appa-
rat aus Hamburg dorthin überstellt werden konnte.354 Die Forschungsbedingungen
wurden unterdessen immer ungünstiger, so dass im Frühjahr 1944 mit der Verlagerung
der Wiener Institute begonnen wurde. Im September begannen die alliierten Luftan-
griffe. Daraufhin wurde im Herbst 1944 ein Teil der Institute nach Schwallenbach in
Niederösterreich verlagert.355 Im Spätherbst 1944 wurde der am Institut für Radium-
forschung noch vorhandene Radiumvorrat in die Wiener Hofburg ausgelagert, um ihn
vor den immer intensiver werdenden alliierten Luftangriffen zu schützen. Im Februar
1945 überführte man ihn schließlich in ein Salzbergwerk in Hallein, wo er den US-
amerikanischen Truppen in die Hände fiel. Ein Großteil der wertvollen Instrumente
und Apparate wurde im März 1945 in das niederösterreichische Dorf Schwallenbach
an der Donau und bereits seit Januar des Jahres nach Thumersbach bei Zell am See in
Salzburg gebracht.356 Ähnlich widrige Forschungsbedingungen herrschten in den Che-
mischen Instituten der Universität Wien, nachdem eine Auslagerung der Geräte und
Apparaturen nach Schloss Hohenems drohte.
351 Vgl. OOFR, Mappe 19143, Bl. 66–69 : Aussagen des Doktors Alfred Bönisch vom 1. Physikalischen
Institut der Wiener Universität (deutsch und russisch) vom 4.5.1945.
352 Vgl. AÖAW, Anhang : Vierjahresplaninstitut für Neutronenforschung, Akten : Materialanforderungen, K
1, Konv. 5, Fiche 6 : Vierjahresplaninstitut für Neutronenforschung an Gauwirtschaftskammer Nieder-
österreich vom 11.2.1944.
353 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, Behördenschriftwechsel, K 32, Fiche 447 : Oberbürgermeister der Stadt
Krems an Reichsamt für Wirtschaftsausbau vom 29.1.1945.
354 Vgl. OOFR, Mappe 19143 (handschr. Bl. 112) : Materialübersicht über die Forschungsarbeit des Radi-
uminstituts der Wiener Akademie der Wissenschaften, des II. Physikalischen Instituts und des Neutro-
neninstituts (russisch) vom 4.5.1945.
355 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Karlik, K 57, Fiche 860 : Festschrift des Instituts für Radiumforschung
anlässlich seines 40-jährigen Bestehens (1910–1950).
356 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, Tätigkeitsberichte, K 5, Fiche 96 : Bericht über die Tätigkeit des Institutes
für Radiumforschung vom Mai 1944 bis zum 1. November 1945, undatiert [1945].
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369