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Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung,
1919–1932140
ausschließlich zwischen Paris, Wien und Brüssel verhandelt wurden, gingen einige
Mitglieder in den englischsprachigen Ländern davon aus, dass die Kommission ihre
Tätigkeit längst eingestellt habe.227
3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als
internationales Projekt
3.4.1 Stipendien für Zentrum und Peripherie
Dass ausgerechnet die Wiener Radioaktivisten bald nach dem Krieg ihre einflussreiche
Position in der internationalen Radioaktivitätsforschung zurückgewannen, hatte zwei
Gründe : Zum einen konnte man in der Hauptstadt Österreichs auf vielfältige Ressour-
cen aus der Vorkriegszeit zurückgreifen, von denen Radioaktivisten in der akademi-
schen Provinz, die dem Exner-Kreis angehörten, zwar auch profitierten, allerdings in
sehr viel geringerem Ausmaß als in Wien. Zum anderen gelang es ihnen, über interna-
tionale industrielle und wissenschaftliche Kontakte an Forschungsmaterial und Litera-
tur sowie an finanzielle Mittel zu gelangen, die in Österreich nicht vorhanden waren.
In dem verarmten Land gab es in der Nachkriegszeit wenig Spielraum für eine staatli-
che Wissenschaftsförderung.
Nach dem Ende der Hyperinflation begann die Regierung Ignaz Seipels, den öffent-
lichen Haushalt zu konsolidieren. Im Rahmen der Genfer Protokolle hatte sich Öster-
reich bereit erklärt, seine durch den Krieg ruinierten Staatsfinanzen zu sanieren und
erhielt im Gegenzug eine Völkerbund-Anleihe in Höhe von 650 Millionen Goldkro-
nen mit einer Laufzeit von 20 Jahren. Die sofort eingeleiteten Sparmaßnahmen hatten
an den österreichischen Universitäten gravierende Folgen :228 1924 ging man zunächst
daran, den Bestand des nichtwissenschaftlichen Universitätspersonals zu verringern.229
Zudem kürzte das Bundesministerium für Unterricht wiederholt die ohnehin mageren
staatlichen Zuschüsse für wissenschaftliche Institute und Bibliotheken.230 Die Regie-
rung stellte mit ihrer Politik allerdings keine Ausnahme dar. Auch andernorts, wie
227 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 18, Fiche 296 : Soddy an Meyer vom 28.4.1930.
228 Vgl. Dosedla 2008, 114–115.
229 Vgl. Höflechner 1994, 71.
230 Vgl. AÖAW, Wissenschaftshilfe, Karton 2, Mappe : Graz : Direktion der Universitäts-Bibliothek in Graz
an Redlich vom 10.3.1928. Im Sommer 1926 flossen 100 Millionen Schilling in die Stützung der Zen-
tralbank der Deutschen Sparkassen, so dass kein zusätzliches Geld zur Förderung der Wissenschaft auf-
gebracht werden konnte. Vgl. RAC, IEB, Series 1.2, Box 25, Folder 362 : Bundesunterrichtsministerium
an Hutchison vom 20.7.1926. Auf Initiative Benndorfs stockte das Ministerium die Dotationen für alle
drei Hochschulen zum Friedensgeldwert von 1914 auf. Vgl. Höflechner 1994, 71.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369