Seite - 218 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Kernforschung in Österreich,
1932–1938218
»Our work is now entirely broken up. The Observatory was closed on account of lack of
money for the running expenses and I had to dismiss my calculators. I do not see any pos-
sibility to reopen in near future, because I have no hope of getting financial help here. As-
sistance from Germany is out of question on account of the political situation. It is very
deplorable that after an investment of so much money our series of observations, carried on
for more than three years, has come to an end.«176
Hess verfügte als Mitglied des Kulturrats über hervorragende politische Verbindungen
zur autoritären ständestaatlichen Regierung Österreichs. Er erreichte schließlich doch,
dass ihm das Bundesministerium für Unterricht eine Sonderdotation gewährte, wo-
durch der Institutsbetrieb in Innsbruck aufrechterhalten werden konnte.177
Das enge Verhältnis der Radioaktivistengemeinschaft in Österreich zur deutschen
Wissenschaftsgemeinschaft gründete auf der gemeinsamen Sprache und kulturellen
Verflechtungen. Dies hatte ihr in der Vergangenheit viele Vorteile verschafft. Von deut-
scher Seite wurden die Bemühungen, das deutschsprachige Nachbarland kultur- und
damit auch wissenschaftspolitisch zu infiltrieren, seit der nationalsozialistischen Regie-
rungsübernahme noch verschärft. Diese Politik schlug sich auch in der Förderstrategie
der DFG gegenüber Österreich nieder. Dort profitierten vor allem diejenigen von der
veränderten Situation, die den nationalsozialistischen Kurs im Deutschen Reich vorbe-
haltlos unterstützten. Im Vergleich zu manchem geisteswissenschaftlichen Projekt, das
fast zur Gänze von reichsdeutschen Fördergeldern abhing,178 profitierte die Kern- und
Höhenstrahlungsforschung in Österreich vor 1938 nur marginal von den veränderten
politischen Verhältnissen.
4.2.2 Marginalisierung im deutschsprachigen Wissenschaftskontext
Die angespannten politischen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und Ös-
terreich verschlechterten die Chancen der (Kern-)Physik, finanziell von deutscher Seite
unterstützt zu werden. Doch auch der wissenschaftliche Austausch und damit die
Präsenz von Physikern und Physikerinnen aus Österreich in der deutschsprachigen
scientific community litten. Die politische Krise des deutsch-österreichischen Wissen-
schaftsaustauschs ereignete sich just zu dem Zeitpunkt, als die Wiener Kernfor-
schungsgruppe um Stetter und Kirsch ihre Arbeitsergebnisse im Rahmen des 9. Deut-
176 RAC, RF, RG 1.1, Series 705D, Box 3, Folder 20 : Hess an Trowbridge vom 7.2.1935.
177 Vgl. ÖStA, AVA, Ministerium für Kultus und Unterricht 1848–1940, F 1100/5G : Bericht über die
Tätigkeit des Instituts für Strahlenforschung an der Universität Innsbruck in der Zeit vom 1. Okt. 1931
bis 31. Dez. 1935 vom 29.12.1935.
178 Siehe zur Finanzierung der Wiener Südosteuropa-Forschung Svatek 2010b, 115–117.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369