Seite - 270 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«,
1938–1945270
ziert, und die DFG gewährte Karliks neuer Assistentin, Traude Bernert, bis Kriegsende
ein Stipendium.181 Das neue Projekt erhielt ebenso wie die anderen Wiener kernphy-
sikalischen Projekte die Dringlichkeitsstufe SS.182 Wegen des hohen Zeitaufwands
und angesichts fehlenden Personals, das ihr altes Projekt weiterführen konnte, stellte
Karlik die von der Berliner Kali-Forschungsanstalt finanzierten Studien zur Blaufär-
bung des Steinsalzes daraufhin ein.183
Die frühe Mitgliedschaft im Uranverein bescherte der Wiener Kernforschungs-
gruppe um Georg Stetter also schon in den ersten Kriegsjahren neue Ressourcen, doch
ähnlich wie im »Altreich« gewann die Arbeit für den Uranverein erst im Verlauf des
Krieges an Bedeutung. Durch Forschungsarbeiten für das deutsche Militär konnte an
den Universitäten Wien, Graz und Innsbruck der Forschungsbetrieb im Krieg aufrecht
erhalten und die Infrastruktur der Institute zum Teil sogar ausgebaut werden. Eines
bleibt aber festzuhalten : Während sich zivile Forschungsförderungseinrichtungen des
nationalsozialistischen Regimes in beträchtlichem Ausmaß in der Kernforschung enga-
gierten, blieb die finanzielle Unterstützung durch das Militär gering.
5.3.2 Neue Pläne zum Bau eines Teilchenbeschleunigers in Wien
Georg Stetter erhielt in den ersten Kriegsjahren hauptsächlich durch Wehrmachtsauf-
träge, die nur zum Teil kernphysikalisch relevant waren, neue Mittel für das II. Physi-
kalische Institut aus Berlin. Gustav Ortner suchte als Leiter des Instituts für Radium-
forschung hingegen von Beginn an nach ziviler Unterstützung. Die aus den 1930er
Jahren stammenden Pläne, an der Universität Wien einen Teilchenbeschleuniger zu
errichten, waren nicht vergessen, im Gegenteil : Kurz nach dem Überfall der deutschen
Wehrmacht auf Polen im September 1939 sondierte Ortner, ob die DFG sich an der
Finanzierung einer leistungsfähigen Hochspannungsanlage beteiligen würde.184 In der
darauf folgenden Zeit korrespondierte er rege mit verschiedenen reichsdeutschen Be-
hörden, um »das ursprünglich nur der Radiumforschung gewidmete Haus dem größe-
181 Vgl. AIP, Samuel Goudsmit Papers, Series IV, Box 31 : Präsident des Reichsforschungsrates, Kurz-Be-
richte über die auf Anregung und mit Unterstützung des Reichsforschungsrates durchgeführten wissen-
schaftlichen Arbeiten vom 1. Juli 1943 bis 31. Dezember 1943. Siehe zur wissenschaftlichen Vita Ber-
nerts während des Krieges NARA, RG 330, Box 13, Entry 1 B, 164 : Biographical Data Traude Bernert,
undatiert.
182 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, Behördenschriftwechsel, K 32, Fiche 444 : Ortner an Arbeitsamt Wien vom
26.3.1943.
183 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Karlik, K 39, Fiche 573 : Karlik an Kali-Forschungsanstalt Berlin vom
12.5.1943. Siehe zu Koczy Zelger 2009, 26. Aus welchem Grund Etel Kemény 1942 das Institut verließ,
ist nicht bekannt.
184 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 11, Fiche 173 : Ortner an DFG vom 13.10.1939.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369