Seite - 10 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Bild der Seite - 10 -
Text der Seite - 10 -
Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationaler Kooperation und
Konkurrenz10
Strahlung4 beobachtbar waren. Als Strahlungsquelle dienten Neutronen, die aus Uran-
und Thoriumpräparaten beziehungsweise künstlich gewonnen wurden. Die Kernphy-
sik erhielt, ausgehend vom Bau der ersten Teilchenbeschleuniger, zunehmend Impulse
durch den Einsatz großtechnischer Geräte.
Mit den methodisch-experimentellen und theoretischen Veränderungen kamen
neue Forschungszentren auf : In Kopenhagen zog Niels Bohr seit den frühen 1920er
Jahren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an, die im Grenzbereich von Radio-
chemie und Biologie forschten.5 Auch Enrico Fermis Gruppe in Rom prägte die Kern-
physik seit den frühen 1930er Jahren maßgeblich.6 Doch das eigentliche Gravitations-
zentrum der Kernforschung verschob sich zu jener Zeit in die USA.7 Das Manhattan-
Projekt bildete den ersten Höhepunkt eines Prozesses hin zur großtechnisch basierten
Kernforschung, die in den 1930er Jahren schleichend begonnen hatte und im Kalten
Krieg in den Großforschungsprojekten verschiedener Industriestaaten kulminierte.8
Der kurze Überblick zeigt, wie sehr sich die Radioaktivitätsforschung innerhalb
eines halben Jahrhunderts veränderte. Jede historische Darstellung, die Entwicklungen
des Forschungsfeldes auf lokaler oder nationalstaatlicher Ebene in den Blick nimmt,
muss die wissenschaftlichen, politischen und wirtschaftlich-gesellschaftlichen Verände-
rungen in der internationalen Arena mitberücksichtigen. Denn es war jenes Span-
nungsverhältnis aus internationaler Kooperation und Konkurrenz sowie nationalstaat-
lichen beziehungsweise lokalen Einflüssen, in dem die Radioaktivitätsforschung ihr
innovatives Potenzial entfaltete.
1.2 Begriffsklärung und Fragestellungen
Diese Studie lokalisiert und gewichtet die Radioaktivitäts- und Kernforschung im
Österreich der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Spannungsfeld internationaler,
nationaler und lokaler Einflüsse. Die Erforschung der Radioaktivität wird als sozialer
Prozess begriffen, der sich im Beziehungsgeflecht von Wissenschaft, Industrie, Gesell-
schaft und Politik abspielte. Es geht um die Frage, welchen Stellenwert Österreich in
der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft der Radioaktivitäts- und Kernfor-
schung einnahm, wie sich dieser Status gegebenenfalls verschob und warum.
4 Einen guten Überblick über die frühe Entwicklung dieser Forschungsrichtung geben Walter/Wolfendale
2012.
5 Vgl. Aaserud 1990.
6 Vgl. Guerra/Robotti 2009 ; Bernadini/Bonolis 2004 ; Bernadini et al. 2003 ; Gottfried 1992 ; Holton 1974.
7 Vgl. Seidel 1992.
8 Vgl. Edgerton 1997.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369