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Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert - Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
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15 Befragten ihre Lebensgeschichte konstituieren, ist aktuell alles andere als modern – zumindest wenn „modern“ im Sinne von „im Trend“ verstanden wird. Ganz im Gegensatz zum Boom von (Auto-)Biografien, die heute den Büchermarkt über- schwemmen, und (halbwissenschaftlichen) Oral-History-Projekten4, die an bei- nahe jeder Bildungsinstitution bereits durchgeführt wurden, ist die Erforschung der Strukturen und Muster des lebensgeschichtlichen Erzählens seit der Mitte der 1990er Jahre auch in der Europäischen Ethnologie scheinbar aus der Mode gekom- men. Die großen Vorbilder für diese Arbeit sind mindestens 20 Jahre alt, zu ihnen zählen allen voran Albrecht Lehmanns „Erzählstruktur und Lebenslauf“ (1983), Gabriele Michels „Biographisches Erzählen – zwischen individuellem Erleb- nis und kollektiver Geschichtentradition“ (1985) oder Hans Joachim Schröders „Gestohlene Jahre“ (1992). Diese Tatsache bedeutet keineswegs, dass das Vorhaben der vorliegenden Arbeit anachronistisch oder gar überholt ist, denn die Ergebnisse und ihre gesellschaftliche Relevanz können durchaus die Aktualität dieses For- schungsansatzes belegen. Vielmehr soll die Forschungstätigkeit am Material der lebensgeschichtlichen Erzählungen in Hinblick auf den Umgang mit der (eigenen) Geschichte, seine kulturellen Implikationen und die Bedeutung der Interpretation und (Re-)Konstruktion des eigenen Lebens im Rückblick durch diese Arbeit neu angeregt werden. Ein beliebter Vorwurf gegenüber Forschungsarbeiten, die sich auf Interviewma- terial stützen, wenngleich dieser immer seltener aus wissenschaftlichen Kreisen kommt, ist jener der fragwürdigen „Faktentreue“ qualitativen Interviewmaterials. Daher soll gleich zu Beginn – aber sicher nicht zum letzten Mal in dieser Arbeit – betont werden: Die vorliegende Forschungsarbeit setzt sich nicht zum Ziel, eine etwaige historische Wahrheit anhand der Interviews zu ergründen. Konsequenter- weise dürfen die zitierten Interviewausschnitte und ihre Aussagen nicht nach den Kategorien richtig oder falsch bewertet werden. Historische Sachverhalte oder ihre möglichst getreue Rekonstruktion sind nicht Thema dieser Arbeit. Ziel dieser Arbeit ist die Ergründung der Strukturen und Muster von Kon- struktion und Rekonstruktion (lebens-)geschichtlicher Ereignisse und Verläufe. Sie werden innerhalb des Systems eines Individuums betrachtet und lediglich mit anderen (Re-)Konstruktionen verglichen, niemals aber an ihnen gemessen. Klara Löffler formulierte dieses Ziel für ihre Forschung vortrefflich: „Vordringlich ist […] die Rekonstruktion der Konstruktion einer eigenen biographischen und erzähleri- schen Logik im Spannungsverhältnis von Erfahrungsräumen und Erwartungsho- rizonten. Thema ist das Vage, hinter dem sich Selbstverständliches verbirgt, das Eindeutige, das Widersprüchliches verdeckt, Thema ist die Verfertigung oder die Konsolidierung von Selbstverständlichem, vom Erzählen in einer Befragung.“5 4 Eine Analyse des Booms von Projekten und Veranstaltungen beispielsweise rund um die „Kriegs- kinder“ des Zweiten Weltkriegs lieferte jüngst der Soziologe Michael Heinlein: Heinlein, Michael: Die Erfindung der Erinnerung. Deutsche Kriegskindheiten im Gedächtnis der Gegenwart. Biele- feld 2010. 5 Löffler, Klara: Zurechtgerückt. Der Zweite Weltkrieg als biographischer Stoff. Berlin 1999. S. 59.
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Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Untertitel
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Verlag
StudienVerlag
Ort
Innsbruck
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
15.8 x 23.4 cm
Seiten
464
Schlagwörter
Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
Kategorie
Geographie, Land und Leute

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Einführung 13
  3. 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
    1. 1.1. Potenzial und Grenzen des biografischen Interviews 18
    2. 1.2. Entstehung und Funktion von Erinnerungen 22
      1. 1.2.1. Wahrnehmung 22
      2. 1.2.2. Kollektives, kulturelles, kommunikatives, autobiografischesGedächtnis 25
      3. 1.2.3. Erinnerung 29
    3. 1.3. Spezifika von Erzählungen im Rahmen lebensgeschichtlicher Interviews 31
      1. 1.3.1. Vom Erzählen zur Erzählung 32
      2. 1.3.2. Spezifika von Erzählungen im narrativen Interview 34
      3. 1.3.3. Spezifika lebensgeschichtlicher Erzählungen 35
    4. 1.4. Potenzial der Erinnerungserzählungen 42
  4. 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
    1. 2.1. Zur Entstehung des Quellenmaterials 47
      1. 2.1.1. Der Idealtyp des narrativen Interviews und die Praxis 48
      2. 2.1.2. Die Arbeit mit dem erhobenen Quellenmaterial 50
      3. 2.1.3. Statistischer Überblick über die biografischen Interviews 52
    2. 2.2. Erinnerungspraxis und Erzähltradition: Definition und Forschungsziel 55
      1. 2.2.1. Zur Methodik der Auswertung und Analyse 58
      2. 2.2.2. Zur Darstellung der Ergebnisse 60
  5. 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
    1. 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
    2. 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
    3. 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
    4. 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
      1. 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
      2. 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
      3. 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
      4. 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
      5. 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
      6. 3.4.6. Modernisierung 112
      7. 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
      8. 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
      9. 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
      10. 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
      11. 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
      12. 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
      13. 3.4.13. Autoritäten 183
      14. 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
      15. 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
      16. 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
      17. 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
      18. 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
      19. 3.4.19. Repressives NS-System 230
      20. 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
      21. 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
      22. 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
      23. 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
      24. 3.4.24. Gefangenschaft 263
      25. 3.4.25. Heimkehr 268
      26. 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
      27. 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
      28. 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
      29. 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
      30. 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
      31. 3.4.31. Kriegsende 301
      32. 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
      33. 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
      34. 3.4.34. Entnazifizierung 324
      35. 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
      36. 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
      37. 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
      38. 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
      39. 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
      40. 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
      41. 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
      42. 3.4.42. Liebe und Ehe 370
      43. 3.4.43. Geburt der Kinder 381
      44. 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
      45. 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
      46. 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
      47. 3.4.47. Naturkatastrophen 400
      48. 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
      49. 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
      50. 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
  6. 4. Zusammenfassung und Synthese 421
    1. 4.1. Erzählstoffe und Leitlinien 422
      1. 4.1.1. Die 50 Erzählstoffe einer Durchschnittsbiografie 424
      2. 4.1.2. Ein Leben geprägt von Wandel 427
      3. 4.1.3. Arbeit als Lebensthema 428
      4. 4.1.4. Männer- und Frauenerzählungen 429
      5. 4.1.5. Geschichtliches und Lebensgeschichtliches 430
    2. 4.2. Erzählstrukturen und -strategien: Rechtfertigung, Idyllisierung, Vergleich 432
  7. 5. Verzeichnisse und Nachweise 439
    1. 5.1. Liste der anonymisierten ZeitzeugInnen 439
    2. 5.2. Literaturverzeichnis 440
    3. 5.3. Internetquellen 454
    4. 5.4. Abbildungsverzeichnis 454
    5. 5.5. Ortsregister 458
    6. 5.6. Personenregister 461
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