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hat ein bisschen geschwankt, der Strom, weil es ein „Riamabetrieb“136 gewesen
ist. Und dann hat der Vater eine Hoflampe da installiert. Und das ist man
natürlich auf Latschau nicht gewöhnt gewesen, dass es endlich einmal hell ist
da heroben. Und dann, wo der Feuerwehrhauptmann … Da ist der Wilhelm
Neyer Feuerwehrhauptmann gewesen damals. Und der hat dann gesehen,
dass es da heroben hell ist. Und der ist „Kopf und Arsch“137 herauf, und hat
gemeint, es brenne da in der Mühle. Aber währenddessen hat das Licht da
gebrannt vor dem Haus. Und der Erste, wo angeschlossen hat, ist dann der
ZW draußen gewesen, der Nachbar. Und dann sind dann mehrere Interes-
senten da gekommen, wo Interesse gehabt haben, dass sie halt Licht kriegen
würden.
EV ♀, geboren 1904:
I: Und wer ist da angeschlossen gewesen? Waren da schon alle Haushalte
angeschlossen?
EV: Nein, nicht alle. Oh nein! Das ist ziemlich teuer gewesen, gelt, der
Anschluss. Das hat sich nicht jeder leisten können. Die Leitungen haben viel
gekostet.
I: Wirtshäuser, reiche Bauern? Wer ist da angeschlossen worden?
EV: Ja, der, der halt das Geld gehabt hat. Die haben sich … wir haben’s auch
ziemlich bald. Aber wir sind näher dabei gewesen und da hat der Schwager
das ziemlich billig gearbeitet. Anno 17, anno 17 haben wir das erste Licht
gehabt, den ersten Stromanschluss. Ich weiß noch, die Kinder … ein großes
Fest war das für die Kinder.
XX ♀, geboren 1907:
XX: Wir haben auch kein elektrisches Licht gehabt. Das weiß ich gar nicht
mehr. Ich glaub, ich war schon aus der Schule, hat man überall das elektrische
Licht eingebaut. Ich weiß nur, einmal hat eine Schulkollegin, die war so alt
wie ich, und die … das war das einzige Haus, neben dem Rössle-Wirt, das
hier elektrisches Licht hatte. Der Rössle-Wirt hat eine eigene Werkstatt gehabt,
oder wie soll ich denn sagen, wo so eine elektrische Maschine und das war.
Und da hat das Mädel dann gesagt, „also wir müssen nur auf einen Knopf
drücken und dann brennt das Licht“. Und wir haben das gar nicht gekannt.
Und wann man das eingerichtet hat, da hab ich keine Ahnung mehr. Da hab
ich … ich glaub schon, dass ich aus der Schule war.
Die drei Erzählungen zeigen drei verschiedene Aspekte des elektrischen Lichts
für die individuellen Lebenserinnerungen auf. EF beschreibt ein erstes privates
Elektrizitätswerk, mit dessen Wasserkraft sein Vater 1917 eine einzige Lampe, die
136 Riemengetriebe; Riemenantrieb.
137 schnurstracks.
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Titel
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Untertitel
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 15.8 x 23.4 cm
- Seiten
- 464
- Schlagwörter
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439