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Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert - Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Seite - 225 -
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225 gestorben. Später hat sich dann heraus gestellt, die sind im KZ gestorben oder umgebracht worden. Ich kann da nicht urteilen. Ich bin ja nicht dabei gewe- sen. Aber es sind schon überall in Vorarlberg … Wenn du jetzt so hörst, jetzt schreibt man ja überall groß und breit, sind überall Leute verschwunden. Und wie sie da mit dem Vallaster im Silbertal, der als Aufseher im KZ hunderttau- sende scheinbar vergast oder dabei war bei der Vergasung. Ob das wahr ist, das weiß ich nicht. Solche hat’s halt schon gegeben. Also ich weiß da bei uns, in St. Gallenkirch kann ich mich nicht erinnern, dass einer außer den ein, zwei Alten irgendwer einmal verurteilt oder eingesperrt worden ist. Kann ich mich eigentlich nicht erinnern. Aber es ist natürlich in den ländlichen Gegenden, wo jeder jeden gekannt hat, ist es schon ein bisschen besser gewesen. Die Argumente dafür, warum schon während der nationalsozialistischen Herr- schaft in Österreich auch den MontafonerInnen klar war, welche Verbrechen an der Menschheit dieses Regime zu begehen im Begriff war, sind vielfältig. QJ führt an, dass man bei den öffentlichen Auftritten und Reden der Nationalsozialis- tInnen nur zuzuhören brauchte, um zu wissen, welche Methoden sie gegen wen anwandten. KP weist darauf hin, dass viele über das Hören verbotener Radiosen- der darüber informiert wurden, was im Deutschen Reich vor sich ging und von der Nazi-Propaganda geheimgehalten, oder zumindest nicht ausposaunt wurde. CC und OP erinnern sich konkret daran, dass man alte und vor allem behinderte Menschen in einem Wagen (der mit „Vögilewaga“ sogar eine eigene Bezeichnung hatte) abtransportierte und diese nicht mehr zurückkehrten.310 Ebenso wurde mit Menschen verfahren, die ihr Andersdenken laut kundtaten, als Beispiel wird hier ein Pfarrer genannt. NN schließlich beobachtete in Wien, wie die Nationalsozi- alistInnen JüdInnen in aller Öffentlichkeit malträtierten.311 Was Kriegsgefangene oder ZwangsarbeiterInnen anging, wurde nicht davor zurückgeschreckt, im Falle ihres „Fehlverhaltens“ ein Exempel zu statuieren und sie als Warnung öffentlich hinzurichten. All diese Begebenheiten wurden, sofern sie nicht von den Erzäh- lerInnen selbst beobachtet wurden, hinter vorgehaltener Hand weitererzählt und waren daher auch großen Teilen der Bevölkerung bekannt. Dass die in den obigen Ausschnitten dargestellten Begebenheiten und Maßnahmen natürlich auch das 310 Vgl. Hinterhuber, Hartmann: Die „Ausmerze Erbkranker“, eine „bevölkerungspolitische Maß- nahme“. Nationalsozialistische Verbrechen an psychisch Kranken und Behinderten aus Nord- und Südtirol. In: Steininger, Rolf und Sabine Pitscheider (Hg.): Tirol und Vorarlberg in der NS-Zeit. (= Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte 19) Innsbruck 2002. S. 217–230. 311 Vgl. Albrich, Thomas: „Die Juden hinaus“ aus Tirol und Vorarlberg: Entrechtung und Vertrei- bung 1938 bis 1940. In: Steininger, Rolf und Sabine Pitscheider (Hg.): Tirol und Vorarlberg in der NS-Zeit. (= Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte 19) Innsbruck 2002. S. 299–318. Albrich, Thomas: Die „Endlösung der Judenfrage“ im Gau Tirol-Vorarlberg: Verfolgung und Vernichtung 1941 bis 1945. In: Steininger, Rolf und Sabine Pitscheider (Hg.): Tirol und Vor- arlberg in der NS-Zeit. (= Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte 19) Innsbruck 2002. S. 341–360. Meixner, Wolfgang: „Arisierung“ – die „Entjudung“ der Wirtschaft im Gau Tirol-Vorarlberg. In: Steininger, Rolf und Sabine Pitscheider (Hg.): Tirol und Vorarlberg in der NS-Zeit. (= Innsbru- cker Forschungen zur Zeitgeschichte 19) Innsbruck 2002. S. 319–340.
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Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Untertitel
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Verlag
StudienVerlag
Ort
Innsbruck
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
15.8 x 23.4 cm
Seiten
464
Schlagwörter
Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
Kategorie
Geographie, Land und Leute

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Einführung 13
  3. 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
    1. 1.1. Potenzial und Grenzen des biografischen Interviews 18
    2. 1.2. Entstehung und Funktion von Erinnerungen 22
      1. 1.2.1. Wahrnehmung 22
      2. 1.2.2. Kollektives, kulturelles, kommunikatives, autobiografischesGedächtnis 25
      3. 1.2.3. Erinnerung 29
    3. 1.3. Spezifika von Erzählungen im Rahmen lebensgeschichtlicher Interviews 31
      1. 1.3.1. Vom Erzählen zur Erzählung 32
      2. 1.3.2. Spezifika von Erzählungen im narrativen Interview 34
      3. 1.3.3. Spezifika lebensgeschichtlicher Erzählungen 35
    4. 1.4. Potenzial der Erinnerungserzählungen 42
  4. 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
    1. 2.1. Zur Entstehung des Quellenmaterials 47
      1. 2.1.1. Der Idealtyp des narrativen Interviews und die Praxis 48
      2. 2.1.2. Die Arbeit mit dem erhobenen Quellenmaterial 50
      3. 2.1.3. Statistischer Überblick über die biografischen Interviews 52
    2. 2.2. Erinnerungspraxis und Erzähltradition: Definition und Forschungsziel 55
      1. 2.2.1. Zur Methodik der Auswertung und Analyse 58
      2. 2.2.2. Zur Darstellung der Ergebnisse 60
  5. 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
    1. 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
    2. 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
    3. 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
    4. 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
      1. 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
      2. 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
      3. 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
      4. 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
      5. 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
      6. 3.4.6. Modernisierung 112
      7. 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
      8. 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
      9. 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
      10. 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
      11. 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
      12. 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
      13. 3.4.13. Autoritäten 183
      14. 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
      15. 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
      16. 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
      17. 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
      18. 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
      19. 3.4.19. Repressives NS-System 230
      20. 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
      21. 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
      22. 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
      23. 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
      24. 3.4.24. Gefangenschaft 263
      25. 3.4.25. Heimkehr 268
      26. 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
      27. 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
      28. 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
      29. 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
      30. 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
      31. 3.4.31. Kriegsende 301
      32. 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
      33. 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
      34. 3.4.34. Entnazifizierung 324
      35. 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
      36. 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
      37. 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
      38. 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
      39. 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
      40. 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
      41. 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
      42. 3.4.42. Liebe und Ehe 370
      43. 3.4.43. Geburt der Kinder 381
      44. 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
      45. 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
      46. 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
      47. 3.4.47. Naturkatastrophen 400
      48. 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
      49. 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
      50. 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
  6. 4. Zusammenfassung und Synthese 421
    1. 4.1. Erzählstoffe und Leitlinien 422
      1. 4.1.1. Die 50 Erzählstoffe einer Durchschnittsbiografie 424
      2. 4.1.2. Ein Leben geprägt von Wandel 427
      3. 4.1.3. Arbeit als Lebensthema 428
      4. 4.1.4. Männer- und Frauenerzählungen 429
      5. 4.1.5. Geschichtliches und Lebensgeschichtliches 430
    2. 4.2. Erzählstrukturen und -strategien: Rechtfertigung, Idyllisierung, Vergleich 432
  7. 5. Verzeichnisse und Nachweise 439
    1. 5.1. Liste der anonymisierten ZeitzeugInnen 439
    2. 5.2. Literaturverzeichnis 440
    3. 5.3. Internetquellen 454
    4. 5.4. Abbildungsverzeichnis 454
    5. 5.5. Ortsregister 458
    6. 5.6. Personenregister 461
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