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dann so eine Gruppe gewesen. Haben da nichts gestohlen, nicht „sällaweg“398.
Aber halt etwas „organisiert“ hat man, das hat man. Zigaretten und alles
Mögliche hat man dann noch gefunden, was die halt beim Flüchten liegen
ließen. Und dann sind auch … Ich weiß, einmal sind meine Geschwister und
die Mama furchtbar erschrocken, wir haben ziemlich niedrig herunten das
Fenster, auf einmal schauen da drei, vier solche Inder herein, zum Fenster
oder. Und die haben dann gefragt um ein Quartier und um Unterschlupf.
Denen hat man dann Unterschlupf gegeben, in einem Nebenstall. Und dort
sind sie aber dann ziemlich bald verhaftet worden natürlich. Weil die sind ja
ziemlich schnell, die Franzosen, dann gekommen und haben sie dann natür-
lich „hopp“ genommen. Die haben dann noch überall versteckt gehabt, keine
Dings, nichts. Waffen keine oder so, das nicht. Ja, sind halt so kleine Erleb-
nisse, wo für uns Buben eine große Sache gewesen ist. Nein, nein, das kann
ich mich schon erinnern. […]
I: Und jetzt muss ich noch einmal fragen, diese Inder, was sind das für welche
gewesen? Die haben auf der Seite von den Deutschen gekämpft?
GH: Ja, die haben auf der Seite von den Deutschen gekämpft und sind natür-
lich mit allen miteinander, mit dem ganzen anderen Tross und Zeug sind die
halt auch davon gerannt, und haben sich halt so lange wie möglich, die haben
sich ärger gefürchtet als die wirklich Deutschen. […] Die haben schon ein biss-
chen reden können. Wir haben’s dann aufbehalten, wie ich schon gesagt habe,
und die haben auch … Die Mama hat sie auch kochen lassen in der Küche.
Die habe ihren eigenen Brei gekocht. Haben sie sagen wollen: „esst mit“, aber
ich habe es also nie probiert. Ja, ja, die Mama hat schon probiert, aber ich
nicht. Ich weiß nicht, wie gut das gewesen ist. Und wir haben dort auch mit
denen noch ein paar Tage, aber ist natürlich nur ein paar Tage gewesen. Dann
sind die anderen gekommen. Und eines schönen Tages sind sie nicht mehr
draußen gewesen, in diesem Nebenstall, wo sie da auf dem Heu draußen
geschlafen haben. Und da haben sie sie halt dann gefunden. Ja, ja, und dann
… was ihnen passiert ist, weiß ich nicht. Nur haben sie sich furchtbar vor den
Franzosen gefürchtet. Unheimlich gefürchtet.
I: Wieviele sind das gewesen?
GH: Vier.
Dem Erzähler blieben in Zusammenhang mit dem Kriegsende vor allem „Inder“
in Erinnerung, die offenbar auf deutscher Seite gekämpft hatten. Die Tatsache,
dass sich vier dieser Inder einige Tage im Stall der Familie versteckten, hat sicher-
lich zu ihrer Dominanz in GHs Erinnerungserzählung beigetragen, nicht weniger
mussten für den Buben aber auch das fremde Aussehen der Männer sowie ihre
ungewöhnlichen Gerichte einen starken Eindruck hinterlassen haben. GH erzählt
ferner, wie er mit seinen Freunden Gegenstände „organisierte“, die die „deutschen
Soldaten“ auf der Flucht in ihren Fahrzeugen zurückgelassen hatten.
398 auf diese Art.
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Titel
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Untertitel
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 15.8 x 23.4 cm
- Seiten
- 464
- Schlagwörter
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439