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dann, wissen Sie, die ersten von Schruns, waren die in Maria Rast, da war ein
Krankenhaus, der Doktor Albrich. Und da war eine wunderschöne Kapelle
und die Kapelle haben sie umgeräumt und da haben sie einen Tanzsaal draus
gemacht. Und die Obersten, die Haute Volé von Schruns, die ist dort tanzen
gegangen. Das habe ich auch nicht verstehen können. Ich bin nicht katholisch,
aber das habe ich nicht verstehen können. Da haben sie dann einen Tanzsaal
draus gemacht, ja. – Und zwar gerade die Frauen, die so Wert darauf gelegt
haben, wie wichtig ihnen ihr katholischer Glaube ist. Es sind ja hier nur zwei
oder drei Evangelische. Es sind ja alles Katholiken hier.
I: Also hat es viele Frauen gegeben, hier, die da Beziehungen angefangen
haben mit der Besatzung, mit Soldaten?
UF: Ja! Verheiratete und unverheiratete. Wohl, wohl.
I: Und haben die profitiert, haben die Vorteile gehabt, dann?
UF: Ja, die haben dann diese Care-Pakete hat es gegeben, die wurden verteilt,
da waren dann so Käse und was weiß ich … Langsam ist es ja so angelaufen
mit der Nahrungsbelieferung. Und natürlich haben die sich … Und einmal …
Und ja, zum anderen haben sie vielleicht auch gedacht, irgendetwas für ihren
eigenen Mann herauszufischen, dass der früher kommt, aber das waren ja
alles einfache Soldaten, die Besatzung, die waren ja …
CC ♂, geboren 1933:
CC: In Schruns waren sie stationiert, im Gericht, da war das Hauptzentrum.
Aber die haben immer nur gefestet und gefeiert. Und unsere Frauen … die
jungen Frauen sind natürlich „Ah, die Franzosen sind da“, da sind die gleich
ruhig gewesen. Weil die sind immer wild gewesen. Dann hat der … von der
Krauthobel der Vater hat ganz gut spielen können. Der war Musikant und hat
bei den Franzosen gespielt. Und der hat natürlich viel gefeiert mit den Fran-
zosen. Der ist wochenweise gar nicht aus dem Rausch gekommen. Das Geld
haben sie ihm immer in den Sack geschoben. Nicht mehr gekommen. Dann
hat die Frau gesagt, „also, entweder du bleibst bei den Franzosen oder bei
mir! Aber das hört auf, dass du gar nicht mehr heimkommst und nicht mehr
nüchtern wirst“. Und dann ist er spielen gegangen, aber nur mehr beschränkt.
Weil die Franzosen haben Tag und Nacht gefeiert und die Frauen sind dazu.
Und von der Zeit haben wir noch ein paar Nachkommen von den Franzosen
da. Wo die Frauen schwanger geworden sind. So war das im Krieg.
Die erste Erzählerin MN bemüht sich, die Beziehungen zwischen einheimischen
Frauen und den Besatzungssoldaten zu erklären. Sie spricht die lange Zeit ohne
Männer und die „Lücke“ an, die die gefallenen Soldaten im Dorf hinterlassen
hätten, und spricht von der „verführerischen“ Wirkung der „schönen Franzosen“
auf die einheimischen Mädchen. So positiv wie MN stellen nur wenige Frauen
die Beziehungen zu den Besatzungssoldaten dar. Gerade Frauen lehnen diese Lie-
besbeziehungen besonders vehement in ihren Erzählungen ab und kritisieren sie
durch Formulierungen wie „die haben sich ihnen an den Hals gehängt“ oder „die
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Titel
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Untertitel
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 15.8 x 23.4 cm
- Seiten
- 464
- Schlagwörter
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439