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geschichte ein letztes Mal vor Augen führen. Seine Erzählung offenbart allerdings
aufgrund des erzählerischen Humors sowie der Beschreibung der Konkurrenz der
jungen Männer beim „Hengert“ besondere, auch kulturhistorisch interessante,
Einblicke über das Muster der Liebesgeschichte hinaus:
TG: Zuerst bin ich noch „z’Hengert“479 nach Gaschurn hinein. Zu Fuß, alles
zu Fuß. Und das sind nicht feine Buben gewesen in Gaschurn. Da haben wir
„mengs mol“480Schläge bekommen. Das kann ich dir sagen. Diese Sauhund
haben die Mädchen nicht weglassen wollen. […] Wir mussten immer zu viert
mussten wir hinein. Einen alleine hätte man erschlagen. Einmal einen haben
sie durch die Ill gejagt. Und zu einem Krüppel geschlagen. […] Da ist ein
Tschaggunser auf Schruns „z’Hengert“ zu einem Mädchen. Die Schrunser
wollten ihn nicht und haben ihn immer durch die Ill gejagt. Und da ist es ihm
einmal zu blöd geworden, hat einen Revolver mit und drückt ab und tot ist er
gewesen. […] Hat nicht viel bekommen. Sieben Monate „Kiecha“481. Weil sie
ihn immer „plogat“482 haben. […] Da ist es immer auf Leben und Tod gegan-
gen, dann ab und zu. […]
I: Und wie hast du es dann gehabt mit „dr Stubat“483?
TG: Da sind fünf Mädchen gewesen. Und die, wo mir gefallen hat, die hat nie
„Reppa zella lo“484. Das wollte sie einfach nicht. Und alle Buben in Tschag-
guns, die meisten haben so angefangen, mit Rippen zählen. Geschaut, was sie
machen. Wenn sie nichts gemacht hat, wenn sie es gerne gehabt haben, dann
hat man „wieter ghengarat“485. Und die, wo mir gefallen hat, die hat nie die
Rippen zählen lassen. Und ich bin immer „z’Hengert“. Und meinst du, ich
hätte da einmal weiter können, als nur reden und rauchen bei ihr. Einfach
weiter bin ich nie gekommen. Und die wollte nichts von den anderen wissen.
Und danach hat sie einmal erzählt, jetzt heiratet der und der. Und sagt zu
mir: „Du hättest jetzt dann auch das Alter zum Heiraten.“ Und danach habe
ich gesagt: „Ja, du auch.“ Und danach sagt sie: „Ja, ich eigentlich auch“. Und
da habe ich gesagt: „Ja, heiraten wir zwei.“ Lachend, gell. „Ich heirate schon
mit dir“. Habe ich gedacht, so „Maiggili“, jetzt habe ich dich. [lacht] Jetzt habe
ich dich. Jetzt habe ich dich. Jetzt musst du dann die Rippen zählen lassen,
wenn wir verheiratet sind. Das ist hundertprozentig eine Jungfrau gewesen,
das kann ich dir sagen. Die hat nie etwas gehabt. Und da hat sie auch die
Rippen zählen lassen und hat alles Recht getan. Wunderbar. Wunderbaren
Ehestand haben wir gehabt. Sechs Kinder haben wir gehabt.
479 auf Brautschau.
480 oft.
481 Gefängnis.
482 geplagt.
483 Brautschau.
484 Rippen zählen lassen.
485 weiterhin zum Mädchen gegangen.
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Titel
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Untertitel
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 15.8 x 23.4 cm
- Seiten
- 464
- Schlagwörter
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439