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386 CY: Ja, sechs Meter hinuntergefallen. Da, die Schulter, sieben Rippen ab, bei
den Ohren geblutet, bei der Nase geblutet, beim Mund geblutet … So bin ich
da gelegen.
VU: Wie lange bist du da so gelegen?
CY: Ja, nicht gerade lange. Zum Glück, von der Fohrenburg einer, der steckt
mir den Finger in den Mund, dass ich wieder Luft bekommen habe. Sonst
wäre ich erstickt.
VU: Erstickt am Blut, ja.
CY: Erstickt am Blut. Wenn überall Blut kommt: Ohren, Nasen, Mund! Und
danach habe ich lange ein Röhrchen da hinein gehabt, zum Atmen. Da ist es
durch die Nase noch nicht gegangen. Da haben sie müssen da hinunter bohren
und alles, was da drinnen gewesen ist, haben sie müssen heraus.
VU: Das ist, das ist … Der ist so viel wohl geboren, du. Und dann noch ein-
mal, gell.
CY: Ja, einmal bin ich acht Meter hinunter gefallen, da haben sie mich bis
nach Wien schicken müssen! In die Reparatur! Aber, wenn es nicht bestimmt
ist, das behaupte ich immer, dann kommst du davon.
KP ♂, geboren 1929:
KP: Ja, freilich hab ich noch Operationen gehabt, Unfälle hab ich auch gehabt,
ein paar! Gut, aber das gehört dazu. Wenn das immer so reibungslos wäre,
das würde nicht gehen. Ich hab beim Skifahren … ich hab ja Sachen gemacht,
die würd ich nicht mehr machen. Beim Skifahren auch. Jesus Maria, hundert
Mal hätte ich tot sein können. Einmal bin ich in die Lawine gekommen. Hat
es mich auch hinunter geschlagen ein paar hundert Meter. Aber das ist auch
so eine Episode gewesen. […] Zwischenzeitlich bin ich noch bei der Lawinen-
kommission gewesen [lacht], dann haben wir Lawinen abfahren müssen. Ich
und ein Kollege waren da auf dem Weg, es hat frisch geschneit und viel Schnee
gehabt. Sind rein, abgefahren und eine schöne Lawine runter gebracht. Dann
sind wir weiter und sind einen Hang durch. Er ist zuerst und hat gesagt, er
ginge weiter vor, und ich hab gesagt, ich würde da runter fahren. Jetzt bin ich
da so zwanzig Meter – normal macht man das ja nicht – zwanzig Meter unter
dem Grat bin ich rein gefahren. Und als ich in der Mitte gewesen bin, hab ich
gemerkt, dass eine Lawine zu gehen anfängt. Gelt, abgebrochen, der KP ist
weg. Ich bin umgesprungen mit den Ski, runter gefahren. Ich hab mir gedacht
– da ist so links eine Tanne gestanden […], wo die Äste bis auf den Boden
gereicht haben – gedacht, „da muss ich schauen, dass ich da rein fahren kann.
Da komm ich vielleicht dann raus.“ Aber ich bin nicht mehr raus gekom-
men. Das ist runter mit mir, bei der Tanne vorbei. Dann hab ich gemerkt,
dass ich noch die Ski anhab. „Herrgott“, hab ich gedacht, „wenn’s mir nur mal
den Dreck da runter reißen würde!“ Man glaubt es nicht, was du dir da alles
denkst. Aber das sind ja nur Sekunden. Aber ich hab mir gedacht, „wenn’s mir
nur mal den Dreck da weg reißen würde.“ Dann hat’s mich drunter gerissen,
die Ski hat’s weg gerissen – das hab ich gemerkt – dann ist es dunkel gewesen,
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Titel
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Untertitel
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 15.8 x 23.4 cm
- Seiten
- 464
- Schlagwörter
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439