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404 wehrler, wo am Abend gearbeitet haben bis spät in die Nacht hinein, sind auch
erst später wieder gekommen. Und dann haben wir halt ein Stückchen oben,
hat dann einer gesagt: „Ja, da hinauf sind die Häuser gestanden.“ Haben wir
begonnen zu sondieren. Wir haben da von der Polizei Sonden bekommen,
und haben da begonnen zu sondieren. „Ja, ja, jetzt … ja, da ist etwas drinnen
da.“ Jetzt haben wir auch begonnen zu schaufeln da. Da ist es ganz weich
unten drinnen. Da muss etwas kommen. Jetzt ist ein ganzer Stoß Kinderwin-
deln drinnen gewesen. […] Wieder weiter sondiert und weiter sondiert. Ja, da
kommt wieder Blut. Jetzt haben wir wieder die Sonde herauf gezogen. Und
wieder vorsichtig angefangen. Ist wieder an „totna Giggalr“504 unten drinnen
gewesen. Und so ist das weiter gegangen. Und dann wieder … und auf ein-
mal, da ist wieder etwas. Ja, jetzt haben wir die Lydia gefunden. Das ist ein
fünfzehnjähriges Mädchen gewesen. Ein bildhübsches Mädchen. Die ist im
Nachthemd gewesen. Und die hat uns eigentlich fast ein bisschen gestreckt,
uns Männer. Die ist nicht ganz kalt gewesen noch. Aber … und da haben wir
uns so gegenseitig fast Vorwürfe gemacht: „Wären wir nur gleich da herauf,
dann hätten wir sie vielleicht lebend heraus gebracht.“ Aber eben, wenn es …
in so Riesenflächen bist du halt auch wehrlos. […] Die Erwachsenen haben
uns weniger etwas ausgemacht. Da nimmst du den Tod eher wahr. Dass uns
das halt auch einmal bevor steht. Aber Kinder, die plagen dich. Und warum,
fragt man sich immer.“
CD beschreibt sehr eindrücklich die Faktoren, die das Gefühl der Hilflosigkeit aus-
lösen. Neben dem „ohne Kommando drauflos Graben“, sind es der Anblick der
Opfer, besonders wenn es sich um Kinder handelt, die Angst, tödliche Fehler zu
machen, und schließlich die quälenden Fragen nach versäumten Möglichkeiten,
die schwer zu ertragen sind und oft jahrelang in Erinnerung bleiben.
Abb. 65: Vermurtes
Haus in Vandans am
12. August 1933
(Sammlung Rosalinde Huber/
Montafon Archiv)
504 toter Hahn.
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Titel
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Untertitel
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 15.8 x 23.4 cm
- Seiten
- 464
- Schlagwörter
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439