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Anwesen hier das ziemlich eine bestimmte Größe hat und wir haben auch viel
Arbeit damit.
Dieser Ausschnitt ist repräsentativ für die gesamte lebensgeschichtliche Erzählung
HHs. Der Stolz auf das Geleistete ist nicht nur deutlich zwischen den Zeilen zu
hören, sondern auf die Früchte der Arbeit wird mittels Hinweis auf das Anwe-
sen mit „ziemlich einer bestimmten Größe“ klar hingewiesen. Schlussendlich wird
auch in Bezug auf das schwer erarbeitete Eigenheim betont, dass das Ehepaar viel
Arbeit damit habe. Der Hinweis auf Arbeitskollegen, die am Wochenende fischen
oder bergsteigen gingen, erscheint beinahe abfällig. Für HH erfüllt seine lebensge-
schichtliche Erzählung über weite Teile die Funktion der Selbstdarstellung.
Selbstdarstellung steht auch bei jenen Erzählern als Motivation im Vordergrund,
die in ihrer Biografie Ehrenämter, Vereinsmitgliedschaften und Auszeichnungen
in den Vordergrund stellen. In den Erzählungen wird deutlich, dass diese Tätig-
keiten im sozialen Umfeld hohes Prestige einbrachten, denn die Aufzählungen der
Funktionen bleiben häufig unkommentiert – als würde das Amt schon für sich
sprechen. In den Ausführungen des 1929 geborenen GH ist der „rote Faden“ seiner
biografischen Erzählung augenfällig:
GH: […] Und dann bei den Schützen bin ich ja schon weiß Gott wie lang.
Da bin ich schon geehrt worden, vom Landesverband aus, habe ich eine gol-
dene Medaille bekommen da. Goldene Schützenmedaille, vom Dr. Feuerstein
einmal da vor ein paar Jährchen übergeben worden. Fussball habe ich schon
erwähnt? Fussballer bin ich auch gewesen. Lange. Acht Jahre bin ich auch
Obmann gewesen von den Fussballern, und leidenschaftlicher Selberspieler.
Aber auch das Alter, wo schon alles, die ganze Jugend, wo es einfach braucht,
zum Trainieren habe ich das nicht mehr mitgekriegt. Ich bin auch nie kein
Könner mehr geworden.
I: Aber so Schi gefahren ist man so?
GH: Ja. Ja, ja. So vereinsinterne Rennen. So Vereinsmeisterschaften und
so. Dann hat man die Rodelmeisterschaften abgehalten. Und die üblichen
halt. Dort bin ich sonst nicht weiter gekommen. Wir haben … Das mit dem
Schispringen ist bei uns da besonders gewesen. – Was haben wir, Vereine? Ja,
ja. Bin natürlich selbstverständlich bei der Feuerwehr, ich weiß nicht, 15 Jahre
gewesen. Und dann halt dann aufgehört mit dem Betrieb. Habe ich nicht
mehr das auch noch machen können. Und es käme … habe ich jetzt nicht auf-
geschrieben, aber so ziemlich etwas Vereine habe ich schon gehabt. Ja. Ja, ja.
I: In der Gemeinde auch?
GH: Und dann in der Gemeinde. Natürlich dort, das ist das, was ich sehr,
sehr viel Zeit meines Lebens aufgewende… neben der ganzen Sache, was ich
aufgewendet habe. Gemeinde, das hat angefangen anno 1955. 26 Jahre bin ich
damals gewesen. Habe ich eben grad so richtig angefangen mit dem Betrieb.
Hat mich ein Cousin, ein Freund, wir zwei haben dann in der Gemeinde eine
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Title
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Subtitle
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Publisher
- StudienVerlag
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 15.8 x 23.4 cm
- Pages
- 464
- Keywords
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439