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130 Buzilibo häßt mi Schof, grau ischt mi Henili,
Entaquent häßt mi Ent, Gigeriga häßt mi Ha, Mager-und-Fäßt häßt mi Gäß,
Milk grad gnuag git mi Kua, Buzilibo häßt mi Schof, grau ischt mi Henili.
Entaquent häßt mi Ent, Gigeriga häßt mi Ha, Mager-und-Fäßt häßt mi Gäß,
Buzilibo häßt mi Schof, Milk grad gnuag git mi Kua, Zipfelsgrint häßt mi
Kind, grau ischt mi Henili“.
Aus. So hat es geheißen. Und dann hat sie „mulörgala“146 hat sie können, ich
habe auch noch eines, da unter dem Tisch noch, eine Maulorgel. Ich habe
überhaupt früher viel musiziert.
WD bedarf keiner Anregungen durch den Interviewer, um zu wissen, was sie
erzählen möchte. Sie teilt ihre Erinnerungen gerne, erzählt leidenschaftlich und
ausführlich und zeichnet mittels ihrer Darstellungen Bilder von einem Leben frü-
her, das „hart, aber schön“ war. Auf diesen Topos soll an anderer Stelle im Detail
eingegangen werden. Hier stehen WDs Beschreibungen eines kindlichen Alltags
im Vordergrund, der vor allem durch Arbeit (beim Kartoffel-Graben), das Wissen
und die Liebe der Großmutter sowie religiöse und soziale Normen gekennzeichnet
ist. Das Auslassungszeichen im Ausschnitt markiert die Stelle, an der die Erzähle-
rin auf den Nikolausbrauch und persönliche Erinnerungen daran eingeht – diese
Passage soll im nächsten Kapitel wiedergegeben werden. Wie auch bei DD zei-
gen die häufigen Themenwechsel in der Erzählung, dass die Erzählerin versucht,
ein möglichst umfassendes und nachvollziehbares Bild von ihrem Leben als Kind
zu zeichnen. Sie beschreibt unter anderem die Normen und Werte dieser Gesell-
schaft, stellt sie der heutigen Gesellschaft gegenüber und bemüht sich, damit in
ihrer Erzählung sogar die Lebenswelt ihrer Kindheit zu rekonstruieren.
Abb. 22: Geselliges Beisammensein in der Stube (Sammlung Kilian Jochum/Montafon Archiv)
146 Mundharmonika spielen.
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Title
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Subtitle
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Publisher
- StudienVerlag
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 15.8 x 23.4 cm
- Pages
- 464
- Keywords
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439