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148 QQ: Ich weiß nur, wo wir dann auf dem Maisäß gewesen sind, hat man
gewusst, dass Vorsteherwahl ist. Und dann hat man doch dem einen Baum
gestellt. Früher ist das so die Mode gewesen und Brauch. Hat man dem Bür-
germeister, wenn er gewählt worden ist, hat man eine Tanne gestellt. Und
einmal ist es gewesen, beim Hermann ist es so gewesen, einmal hat man dem
Hermann den Baum gesägt. Weißt du? Gesprengt hat man. […] Und auf
jeden Fall hat man halt da sein Ding, diesen Baum halt gestellt, das hat man
dann schon gewusst, was für einen Bürgermeister dass es irgendwie gibt, oder.
Und dann sind halt die Männer da, und haben halt einen Baum gestellt. Und
es hätte noch daneben gehen können, wo dann Leute vorbei sind oder was,
und da hat man diesen Baum gesprengt. Wohl über Nacht, gell, ist es gewesen?
[…] Und danach hat man aber dann wieder einen Baum gestellt. […] Ja das
sind halt … sonst ist das schon … GT, kannst dich du noch erinnern, wenn
man … wenn man auf dem Maisäß oben gewesen ist, wann der „Konsuma
Toni“ wieder Vorsteher geworden ist? Dann hat man … oh, geschossen hat
man auch. Ja. Dann, wenn geschossen worden ist, dann hat man gewusst,
dass wieder ein Vorsteher ist. Und dann hat man geschaut wo.
Religion spielt in Bezug auf Gewohnheiten und Bräuche eine zentrale Rolle, da
viele traditionelle Handlungen stark mit christlicher Symbolik aufgeladen sind
oder sich zumindest am Jahreskreis der katholischen Feste orientieren. Unter den
in den Erzählungen erwähnten Bräuchen und Gewohnheiten mit christlichem
Bezug, von denen einige bereits am Eingang dieses Kapitels angesprochen wurden,
beziehen sich zahlreiche besonders auf die Religionsausübung und weniger auf
offizielle kirchliche Feiertage oder Anlässe. Bei den nachfolgenden Erzählungen
werden vor allem religiöse Gewohnheiten beschrieben, zum Beispiel wenn der
1930 geborene AZ von der Religiosität seines Vaters spricht:
AZ: Und wir sind jetzt nicht grad gar so furchtbar fromme Leute gewesen
daheim. Aber in die Messe. Und das Weihwasser hat unser Papa immer
genommen. Der ist nie aus dem Haus, ohne Weihwasser. Und auch nie ins
Bett ohne Weihwasser. Und der hat auch immer sein Weihwasserkrüglein sel-
ber gefüllt, weißt du.
Neben dem hohen Stellenwert des Weihwassers wird auch das Tischgebet als
wichtiger Fixpunkt im häuslichen Alltag erwähnt. Der 1930 geborene OP spricht
gerade über das Leben auf dem Maisäß, als ihm die Gebetspraxis seiner Familie als
weiterer erwähnenswerter Erzählstoff in den Sinn kommt:
OP: Und aber auch vor dem Essen und nach dem Essen beten. Das ist dann
oben schon auch gewesen, im Maisäß. Nicht nur herunten. Herunten schon
auch. […] Das Tischgebet. Ich weiß nicht, ich kann es wohl nicht mehr. [I
lacht] Herr segne diese … nein. [5 sec. Pause] Herr Jesus Christus, wir danken
dir, dass du uns gespeist und getränkt und … ja, ich kann es jetzt wirklich …
Das kann ich dir jetzt nicht mehr. Das ist ein Tischgebet gewesen. Und dann
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Title
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Subtitle
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Publisher
- StudienVerlag
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 15.8 x 23.4 cm
- Pages
- 464
- Keywords
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439