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rechtfertigender Tendenzen bzw. auch Schweigen und Zurückhaltung festzustel-
len. Nachfolgend sollen einige Aspekte des „Anschlusses“ an das Deutsche Reich
aufgereiht werden, die die ZeitzeugInnen als positiv bewerten.
QR ♂, geboren 1942, über die Verbesserung der Straßen und Infrastruktur:
QR: Da wäre ja geplant gewesen, an den unteren Innerberg hinein, diese
Straße zu machen. Und dann ist halt der Adolf zu früh abgetreten.
KK ♀, geboren 1922, über die bessere Arbeitsmarktsituation:
KK: Ehrlich gesagt war man eher dafür eingestellt, es gab wieder Arbeit.
Davor war halt nichts. Armut. Es gab wieder ein bisschen Arbeit, man konnte
etwas verdienen. Von der Landwirtschaft mussten wir noch abgeben, man
wurde belastet. Danach gab es Kindergeld, das gab es vorher nicht. Wenn der
Krieg nicht gekommen wäre, wäre es besser gegangen. Der Vater war nie ein
Fanatiker, aber doch war es eine Erleichterung.
IJ ♂, geboren 1924, über die Unterstützung der Landwirtschaft:
IJ: Man hat, ich möcht sagen, vieles wieder gut gefunden, weil man eben …
Erstens die Arbeitsmöglichkeiten waren sofort besser, es ging besser. Man
konnte sich dies und jenes kaufen, sich etwas leisten. Wie ich schon sagte, es
gab Kinderbeihilfe und alles. Das hat man natürlich begrüßt, dass es jetzt bes-
ser ging. Ich denk mir, wie froh waren wir dann, es wurden diese Ding geför-
dert, diese Seilwinden in den Bergtälern, wo man von Hand aus, das heißt mit
Elektromotor, mit einer Seilwinde den Mist hochziehen konnte, während man
früher das von Hand gemacht hat. Das heißt, der Vater hat den Karren mit
den Mistspänern, sagt man dann, in der Hand getragen und wir zwei Buben
mussten einen Prügel mit einer Rolle herunterziehen, bergab, damit der Vater
mit dem Mist hinaufgezogen wurde. Das war das. Dann kam die Seilwinde
und der Strom, dann wurde es auch besser, nachdem das Kraftwerk gebaut
worden ist. Da hat man Elektromotoren gehabt und alles. Die wurde ja geför-
dert. Es geschah auch etwas, nicht, gelt. Möcht ich sagen. Und damit hat man
auch gedacht, es geht doch etwas besser. Aber politisch, man hat wohl gehört,
mit der Kirche ist das und das … Das hat meiner Mama und meinem Vater
nicht gefallen, dass man die Kirche irgendwie abseits stellt.
Die Erzählungen zum Thema „Aufschwung durch den Anschluss“ vermitteln, dass
die bäuerlich geprägte Bevölkerung des Montafons im Jahr 1938 positiv überrascht
und gutgläubig den politischen Veränderungen entgegensah bzw. mehr oder weni-
ger passiv in den Genuss verschiedener Vorteile kam. Scherzhafte Andeutungen,
wie etwa dass „der Adolf zu früh abgetreten“ sei, um die Straße in ein Bergdorf
fertigzustellen, verdeutlichen den tendenziell unkritischen und häufig leichtfer-
tigen Umgang mit dem Thema Nationalsozialismus. Die ZeitzeugInnen bringen
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Title
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Subtitle
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Publisher
- StudienVerlag
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 15.8 x 23.4 cm
- Pages
- 464
- Keywords
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439