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guns oder auf das Haus schießen wollen. Und dann hat der denen hinunter
gefunkt, sie müssen weiter schießen, höher … also das Geschoss höher stellen.
Und da haben wir gesehen, dass da ein Kirchturm ist, und auf dem Kirchturm
ist wahrscheinlich da der Posten gewesen. Der hat ihnen „allig“348 angegeben,
dass sie noch weiter schießen sollten. Und einmal haben sie vier Schuss …
Das habe ich gehört, wie sie abgeschossen haben. „Bumm, bumm, bumm,
bumm“, da habe ich noch gut gehört. Und danach, wenn man das gehört hat,
dann „Pffff“ [macht pfeifendes Geräusch nach] und „Bumms“ hat es schon
„gschnellt“349. Das ist ein Stück unten gewesen. Und dann habe ich den einen,
der wo neben mir gewesen ist, [unverständlich], sind wir vom Wagen herunter
gesprungen, habe ich gesagt „da bleibe ich nicht, da unten“, sind wir da unten
gewesen und haben da [unverständlich]. Und der hat nicht gerade gut gehört,
der Bürser. Und dann habe ich zu ihm gesagt: „Obacht wieder, jetzt schießen
sie wieder“. Und „Bumm, bumm, bumm“ hat es geschossen. Und ich bin – wir
sind nebeneinander gewesen – ich bin da so hinunter auf den Boden und bin
mit dem Kopf unter das Auto hinein „gschloffa“350. Und vier, fünf Meter weiter
unten in die Straße hinein ist so eine Granate. Und Splitter umeinander, und
Dreck ist über mich her, ich habe nicht gewusst: Habe ich noch beide Beine
oder nicht? Die Beine habe ich heraußen gehabt. Aber die Hose zerrissen und
voller Sand [unverständlich]. Und der ist am Boden gelegen. Habe ich gesagt
„komm“, ist er nicht aufgestanden, jetzt habe ich ihn „oflupfa wella“351, jetzt
im Stahlhelm hat er da ein Loch drinnen gehabt, da ist Blut heraus gekom-
men, gell. Und am Rücken auch. Maustot. Maustot. Neben mir. Und hinter
dem Auto hat es einen „Dackla“352 getan, ein Loch heraus geschlagen, den
Arm hat er natürlich verloren. Und ein paar andere Verwundete auch sind
noch gewesen. Und der Kompaniechef – da hat man ein Loch machen müs-
sen, da ist er unten gewesen. Danach hat er das „EK 1“353 bekommen.
I: „EK 1“?
PP: Dass es da Tote und Verwundete gegeben hat, hat der „EK 1“ bekommen.
PP erzählt diese Episode seiner Kriegserfahrungen nicht emotional betroffen,
sondern bemüht sich gegenüber der jungen Interviewerin, die Ereignisse beson-
ders eindringlich und verständlich zu vermitteln. Um die Situation an der Front
zu verdeutlichen, wählt er als Bild für die Formulierung „die Franzosen haben zu
kurz geschossen“ Orte im Montafon aus und verlagert so den Kriegsschauplatz
in die unmittelbare Umgebung des Gesprächs. Die Beschreibung der Ereignisse
erfolgt angesichts der 60 dazwischen liegenden Jahre erstaunlich detailliert und
flüssig, was darauf hinweist, dass PP diese Anekdote immer wieder erzählt hat und
348 immer.
349 geschnalzt.
350 gekrochen.
351 aufziehen wollen.
352 Poltern.
353 Eisernes Kreuz 1. Klasse; Auszeichung für Soldaten.
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Title
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Subtitle
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Publisher
- StudienVerlag
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 15.8 x 23.4 cm
- Pages
- 464
- Keywords
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439