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Klimaanlage an die Adria gefahren, hat auch dazu gehört, oder an die Liguri-
sche Küste. Und die Kinder sind halt – Kindersitze hat es nicht gegeben – sind
sie hinten drinnen gelegen in der Hitze und haben gestöhnt. Aber hinten nach
hat es ihnen immer wieder gefallen. Und dann sind wir jedes Jahr nach Nie-
derösterreich gefahren, ein bis zweimal, zu den Großeltern. Das war schon
eine beschwerliche Fahrt, da hat es noch keine Autobahn gegeben. Und da
haben wir schon unsere Brunnen gehabt, weil die Kinder haben gerne „gespie-
ben“462, und da haben wir schon unsere Brunnen gehabt, wo man die Win-
deln gewaschen hat und das Auto putzen hat können. Das waren immer ganz
interessante Fahrten. Und in den Ferien habe ich mit den Kindern viele Wan-
derungen gemacht. Viele Berge bestiegen, Hüttenwanderungen, viel. Sulzfluh
bei Morgengrauen, Sonnenaufgang auf der Sulzfluh. Da sind sie mit Begeiste-
rung mitgegangen, die zwei größeren Damen. Die Jüngere nicht.
RI ♂, geboren 1910:
RI: Und 56, bei der Weltausstellung in Brüssel, sind wir schon mit einem Auto
hinausgefahren. Nach Brüssel. Und da haben wir eben den Kollegen getrof-
fen, den Zwangsarbeiter. Der ist in der Nähe von Brüssel daheim gewesen.
Und danach sind wir dann noch ein paar Mal hinausgefahren, da haben wir
schöne Touren gemacht. Und da habe ich den Wagen so hergerichtet, dass
wir zwei im Wagen schlafen haben können, und die zwei Buben, die haben
ein kleines Zelt gehabt, die sind im Zelt gewesen. Und dann sind wir auf so
einem Zeltplatz gewesen, und in der Nacht kommt auf einmal der kleinere
Bub und sagt „Mama, da ist eine Katz gekommen!“ [I und RI lachen] „Ja,
dann legst dich da zu uns her.“ Und nicht lange, dann ist der Große auch
gekommen. Sind wir alle vier in dem Auto drinnen gelegen. Mehr gestanden,
als wie geschlafen. [lachen]
I: [lacht] Das kann ich mir vorstellen!
RI: Eine Katz sei gekommen!
Bei allen drei Ausschnitten handelt es sich um wenig spektakuläre Erinnerungen
von vor allem persönlicher Bedeutung. Bei EE und RI sind die Urlaubserinnerun-
gen mit Familienleben verbunden, das stellt EE gleich einleitend fest: „Wir haben
ein gutes Familienleben […], haben sehr viele Urlaube gemacht.“ Urlaubsgeschichten
sind hier vor allem lustige Anekdoten aus dem Familienleben, wie etwa die Angst
der Kinder im Zelt oder die regelmäßige Reinigung des Autos vom Erbrochenen.
AAs Erzählung unterscheidet sich hier insofern, als der Erzähler betont, dass er
seine Urlaubsreisen vor allem aus geschäftlichem Interesse unternahm („Und sonst
halt im Gewerbe, hat es mich immer interessiert, wie das andere machen“) und diese
manchmal auch ohne Kinder stattfanden. AAs Urlaubsanekdote thematisiert die
Rückkehr der Eltern aus dem Urlaub und die ablehnende Reaktion der Kinder auf
die Eltern.
462 sich übergeben.
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Title
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Subtitle
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Publisher
- StudienVerlag
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 15.8 x 23.4 cm
- Pages
- 464
- Keywords
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439