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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL18
einem Beitrag von 1985 (wiederveröffentlicht 1989) diskutiert Fiske gemeinsam
mit John Watts pleasure auch in Bezug auf (Automaten-)Videospiele.19 Aus den
Aussagen von Spielern, sie seien stolz darauf, wenn sie gut spielen und mit einem
einzigen Geldstück lange gegen die vom Automaten gestellte Herausforderung
bestehen können, schlussfolgern Fiske und Watts: „Not putting more coins in
the slot, the pleasure of not paying for pleasure in a society that has made leisu-
re into a consumer industry, is a self-assertive grasping of economic and tem-
poral control.“20 Und so wird in ihrer Interpretation beispielsweise das Spielen
des bekannten Space Invaders zum Akt der gesellschaftspolitischen Befreiung:
„The player of Space Invaders […] renounces his position as subject and becomes a
practice-as-object, a body, that, for the moment of the game, is liberated from the
process of ideological construction. This moment of liberation […] is the moment
of pleasure.“21
Deutlich wird, dass Fiske pleasure meist im Spannungsfeld zwischen Popu-
lärkulturen und hegemonialen Ideologien sucht und dementsprechend vor allem
dort findet. Damit scheint seine Konzeptualisierung des Begriffs eine ungeeig-
nete Grundlage für eine unvoreingenommene und induktive Analyse von Ver-
gnügen zu sein. Nichtsdestotrotz leistet sein Ansatz einen grundlegenden Beitrag
für die vorliegende Arbeit, der allerdings nicht in der Betonung der Freude an
Widerständigkeit, sondern in der Hervorhebung der Eigenaktivitäten von Rezipi-
entInnen besteht. Vergnügen, das macht Fiske deutlich, ist niemals ein Prozess
passiver Konsumption, sondern eine aktive Tätigkeit: „[P]opular pleasure exists
only in its practices, contexts, and moments of production“.22 Indem Fiske diese
Grundannahme etabliert, trägt er zu einem Perspektivenwechsel in der Populär-
kulturforschung bei, dem die vorliegende Arbeit sich anschließt: Vergnügen ist in
erster Linie als ein Geflecht aus Praktiken zu verstehen.
2.1.2 Praktiken
Unter Praktiken werden hier historisch gewachsene, kulturell geprägte und in
permanente soziale Aushandlungsprozesse eingebundene Tätigkeiten verstan-
den, wobei Tätigkeiten nicht nur körperliches und sprachliches Tun, sondern zu-
gleich das Denken und (wie später genauer zu zeigen ist) Fühlen von Akteuren
mit einschließt. Solche Praktiken sind ein zentraler Untersuchungsgegenstand
des Vielnamenfachs Empirische Kulturwissenschaft/Europäische Ethnologie/
Kulturanthropologie/Volkskunde, in dem sich die vorliegende Arbeit verortet.
19 | Vgl. John Fiske/Jon Watts: Video Games. Inverted Pleasures. In: Australian Journal
of Cultural Studies 3 (1985), H. 1, S. 89-104; Fiske: Reading the Popular, S. 77-93.
20 | Ebd., S. 81.
21 | Ebd., S. 88.
22 | Fiske: Understanding Popular Culture, S. 50.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364