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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL40
nur selten hinterfragt, inwiefern hier überhaupt Gewalt stattfindet.122 In vielen
Studien wird schlicht vorausgesetzt, dass in bestimmten Spielen (oft als „Gewalt-
spiele“ oder „gewalthaltige Spiele“ bezeichnet) eine Art der Gewaltausübung voll-
zogen wird und sogleich nach deren Wirkungen gesucht.123 Damit soll nicht die
Medienwirkungsforschung generell kritisiert, sondern lediglich festgehalten wer-
den, dass Fragen zu den diesen Wirkungen zugrundeliegenden Prozessen häufig
ausgeblendet werden: Wenn in Computerspielen „Gewalt“ stattfindet, dann Ge-
walt welcher Form? Was genau bedeutet „Computerspielgewalt“, „virtuelle Ge-
walt“ oder „video game violence“? Wer oder was übt sie gegen wen oder was aus?
Und inwiefern ist sie überhaupt mit faktischer physischer Gewalt vergleichbar?
Kurzum: Bei der Untersuchung von Computerspielen das Vorhandensein von Ge-
walt schlicht vorauszusetzen, wird dem Gegenstand nicht gerecht.
2.2.1 Zum Problem individueller Wahrnehmung
Neben Medienpädagogik und -psychologie haben sich in den letzten zwei Jahr-
zehnten auch Kultur-, Literatur-, Sozial- und Medienwissenschaften sowie ver-
schiedene ethnografisch arbeitende Disziplinen intensiv mit Computerspielen
auseinandergesetzt. Auffällig ist hier, dass – abseits der medienwirkungsorien-
tierten Studien – die Stichworte „Gewalt“ beziehungsweise „violence“ weder in
einschlägigen Monografien und Sammelbänden noch in den zahlreichen Fach-
zeitschriften wie Games and Culture, Simulation & Gaming, gamestudies.org oder
Eludamos eine nennenswerte Rolle spielen.124 Gründe hierfür mögen der werten-
de Charakter des Gewaltbegriffs, aber auch die kritische Haltung vieler Wissen-
schaftlerInnen innerhalb der multidisziplinären Game Studies125 gegenüber den
122 | Michael Kunczik spricht die Problematik des Gewaltbegriffs in Bezug auf Compu-
terspiele konkret an, liefert aber keine eigene Lösung, vgl. Michael Kunczik: Gewalt – Me-
dien – Sucht. Computerspiele. Münster 2013, S. 12-15.
123 | Werner Früh stellt Ähnliches in Bezug auf die Wirkungsforschungen zu Gewaltdar-
stellungen in Film und Fernsehen fest: „[…] man glaubt, auch dem zentralen Konstrukt
‚Gewalt‘ nur wenig Aufmerksamkeit schenken zu müssen. Gewalt wird als fraglos ‚gegebe-
ner‘ Sachverhalt behandelt, den man nur andeutungsweise umschreiben muss, weil alle
ohnehin wissen, was gemeint ist.“ Werner Früh: Gewaltpotentiale des Fernsehangebots.
Wiesbaden 2001, S. 17.
124 | Als Ausnahme zur Regel vgl. Ben DeVane/Kurt D. Squire: The Meaning of Race and
Violence in Grand Theft Auto: San Andreas. In: Games and Culture 3 (2008), H. 3-4, S.
264-285.
125 | Bopp, Wiemer und Nohr argumentieren zu Recht, dass diese sich aus verschiede-
nen Disziplinen zusammensetzende Forschungsrichtung bisher eben noch nicht inter-,
sondern multidisziplinär arbeitet. Vgl. Matthias Bopp/Serjoscha Wiemer/Rolf F. Nohr:
Shooter. Eine Einleitung. In: Dies. (Hg.): Shooter. Eine Multidisziplinäre Einführung. Müns-
ter 2009, S. 7-20, hier: S. 11. Vgl. für eine Einführung in die Game Studies auch Britta
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364