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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL60
Zweitens werden spielerische Tätigkeiten in der Spieltheorie als regelorientiert
beschrieben.194 Auch hier existieren zugespitzte Perspektiven, die argumentieren,
kein Spiel sei ohne feste Regeln möglich.195 Ein flüchtiger Blick auf spielerische
Nachahmungen oder das improvisierende und ständig die Regeln wechselnde
Spiel von Kindern stellt das bereits in Frage. Auszugehen wäre also von einem
sehr weit gefassten Regelbegriff, der auch flüchtige und changierende Routinen
und Bedeutungen einschließt. Allerdings ist dann auch die Orientierung an
Regeln keine spezifische Eigenschaft spielerischer Tätigkeiten mehr. Denn alle
kulturellen Praktiken folgen Prinzipien oder Routinen, die man als Regeln im
weitesten Sinne verstehen kann.
Eine dritte Eigenschaft ludischer Tätigkeiten scheint mir schließlich spezi-
fisch und weiterführend zu sein. Erste Anknüpfungspunkte dazu liefert Johan
Huizinga in seiner vielzitierten Monografie „Homo Ludens“, in der er zumindest
am Rande das Verhältnis von Ernst und Unernst im Spielprozess diskutiert:
„Spiel steht in unserem Bewusstsein dem Ernst gegenüber. Der Gegensatz bleibt vorläufig
so unableitbar wie der Begriff Spiel selbst. Wenn wir aber näher zusehen, erscheint uns
der Gegensatz Spiel – Ernst weder eindeutig noch fest. Wir können sagen: Spiel ist Nicht-
ernst. Abgesehen davon aber, dass dieser Satz nichts über die positiven Eigenschaften
des Spiels aussagt, ist er außerordentlich leicht umzustoßen. Sobald wir an Stelle von
‚Spiel ist Nichternst‘ sagen: ‚Spiel ist nicht ernsthaft‘, lässt uns der Gegensatz schon im
Stich; denn Spiel kann sehr wohl ernsthaft sein.“196
Huizinga stellt schließlich fest: „Der Gegensatz Spiel–Ernst bleibt stets schwe-
bend.“197 Genau dieser Schwebzustand ist es, der im Folgenden interessiert.
Besonders konkret (allerdings ohne Bezugnahme auf Huizinga) hat sich damit
Gregory Bateson in seinem erstmals 1954 vorgetragenen Text „Eine Theorie des
Spiels und der Phantasie“ auseinandergesetzt.198 Grundsätzlich ist Batesons The-
orie des Spiels als eine Theorie der Kommunikation angelegt, die den Umgang
von Akteuren mit verschiedenen Abstraktionsebenen kommunikativer Signale
erörtert. Es geht Bateson um jenes „Drama, das heraufbeschworen wird, wenn
Organismen, die vom Baum der Erkenntnis gegessen haben, entdecken, dass ihre
194 | Vgl. exemplarisch Britta Neitzel: Spielerische Aspekte digitaler Medien – Rollen,
Regeln, Interaktionen. In: Caja Thimm (Hg.): Das Spiel: Muster und Metapher der Medien-
gesellschaft. Wiesbaden 2010, S. 107-125, hier: S. 112-115.
195 | Vgl. exemplarisch Thimm/Wosnitza: Das Spiel – analog und digital, S. 39.
196 | Huizinga: Homo Ludens, S. 14.
197 | Ebd., 17.
198 | Gregory Bateson: Eine Theorie des Spiels und der Phantasie. In: Christian Holtorf/
Claus Pias (Hg.): Escape! Computerspiele als Kulturtechnik. Köln/Weimar/Wien 2007
[vorgetragen erstmals 1954], S. 193-207.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364