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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL66
fasst Spielprozesse und spielbezogene Emotionspraktiken, die im Hinblick auf
emotionale Erfahrungen interpretiert werden können, und setzt dort an, wo die
gesuchten Praktiken alltäglich stattfinden. Ich entschied mich bewusst dagegen,
die Akteure in ihren Wohn- oder Spielzimmern zu besuchen und dort beim Spie-
len zu beobachten.210 Hier wäre nur bedingt eine vollwertige und gleichberechtig-
te Teilnahme möglich gewesen beziehungsweise meine physische Präsens zum
zusätzlichen Störfaktor geworden, und das bei hohem Organisationsaufwand und
einer entsprechend begrenzten Anzahl an beforschten Akteuren. Leitmethode
wurde stattdessen die teilnehmende Beobachtung in Online-Multiplayer-Games.
Im kulturanthropologisch und sozialwissenschaftlich ausgerichteten Zweig
der Game Studies ist dieser Ansatz längst eine Standardmethode.211 Sie erlaubt
es, Computerspielprozesse durch dasjenige Medium zu erforschen, durch das
sie verwirklicht werden. Zahlreiche Studien generierten daraus mit Erfolg ethno-
grafische Erkenntnisse.212 Ich selbst konnte in einer vorangegangenen Studie, in
der ich ca. 300 Stunden online zur Spielkultur des Ego-Shooters Counter-Strike
forschte, Erfahrungen mit dieser Methode sammeln und so wichtiges Vorwissen
für die vorliegende Untersuchung schaffen.213 Die neue, weder in der vorange-
gangenen Studie noch in der Methodenliteratur diskutierte Herausforderung für
die vorliegende Arbeit bestand darin, die teilnehmende Beobachtung online für
die Erfassung von Emotionspraktiken beziehungsweise die Analyse emotionaler
Erfahrungen produktiv zu machen.
Beobachtet und erfasst werden bei der teilnehmenden Beobachtung online
nicht nur die auf dem Bildschirm sichtbaren Tätigkeiten, sondern stets auch die
mit ihnen verflochtenen, verbalen Kommunikationsprozesse in Audio-Sprachka-
nälen. Online-Vielspieler sind häufig Teil einer oder mehrerer Spielergruppen.
ling/Walter Leimgruber (Hg.): Methoden der Kulturanthropologie. Bern 2014, S. 71-85;
Brigitta Hauser-Schäublin: Teilnehmende Beobachtung. In: Bettina Beer (Hg.): Methoden
ethnologischer Feldforschung. Berlin 2008, S. 37-58; Brigitta Schmidt-Lauber: Feld-
forschung. Kulturanalyse durch teilnehmende Beobachtung. In: Silke Göttsch/Albrecht
Lehmann (Hg.): Methoden der Volkskunde. Positionen, Quellen, Arbeitsweisen der Euro-
päischen Ethnologie. Berlin 2007, S. 219-248.
210 | Für einen solchen ethnografischen Ansatz (allerdings ohne Bezug zu Computer-
spielgewalt) vgl. Helen Thornham: Ethnographies of the Videogame. Gender, Narrative
and Praxis. Farnham/Burlington 2011.
211 | Vgl. einführend Tom Boellstorff u.a.: Ethnography and Virtual Worlds. A Handbook
of Methods. Princeton/Oxford 2012.
212 | Vgl. exemplarisch: Boellstorff: Coming of Age in Second Life; Rudolf Thomas In-
derst: Vergemeinschaftung in MMORPGs. Boizenburg 2009; Nardi: My Life as a Night Elf
Priest; Susanne Rabler: Mit dem Sprengschaf durch Azeroth. Die SpielerInnen der ‚World
of Warcraft‘ aus soziologischer Perspektive. Saarbrücken 2010; T.L. Taylor: Play Between
Worlds. Exploring Online Game Culture. Cambridge, MA 2006.
213 | Vgl. Bareither: Ego-Shooter-Spielkultur.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364