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THEORIE UND METHODE 69
an den Spieltätigkeiten Teil und wurden auch freundlich oder zumindest höflich
aufgenommen, doch in vielen Gruppen veränderte sich dadurch (insbesondere
bei der Anwesenheit von weiblichen Spielerinnen) hörbar der Umgangston und
damit auch die Artikulation emotionaler Erfahrungen.215 Als männlicher Spieler
mittleren Alters wurde ich dagegen verhältnismäßig vorbehaltlos aufgenommen
und konnte (zumindest nachdem sich die ersten Nachfragen und Witzeleien in
Bezug auf meine Forschung jeweils gelegt hatten) wie jeder andere Gamer an den
Spielprozessen partizipieren. Ob alle Spieler immer ganz normal agierten, bleibt
natürlich fraglich. So merkte beispielsweise Maxo, der meist sehr explizit seinen
Spaß am virtuellen Töten zum Ausdruck brachte und oft Gegner mit Nachdruck
beschimpfte, einmal fast beiläufig im Sprachkanal an, er frage sich manchmal,
was ich wohl über ihn und seine Gruppe schreiben werde. Als ich ihn dann aber
geradeheraus fragte, ob das etwas an seinem Verhalten ändere, antwortete er kur-
zerhand „Nö!“ und lachte schelmisch. (FT)
Das Verhalten und die ungenierte Sprachwahl der meisten Akteure lässt die
Vermutung zu, dass sich die Spieler tatsächlich nicht (oder zumindest nicht ge-
zielt) vor mir verstellten. Die online gegebene, weitgehende Anonymität der Ak-
teure half hierbei sicherlich. Zentral für meine Akzeptanz im Feld war aber auch,
dass ich selbst recht leicht die Steuerung der verschiedenen Computerspiele er-
lernte und auch die Freude daran nachempfinden konnte. Ich hatte in meiner
Jugend gerne Computerspiele gespielt, darunter auch Actiongames, hatte das
Hobby aber lange Zeit aus den Augen verloren, bevor ich es als Thema für eine
ethnografische Abschlussarbeit im Rahmen des Studiums wiederentdeckte, der
die vorliegende Untersuchung folgte. Einerseits war mir das Computerspielen
also vertraut, anderseits war ich dem Feld fremd. Insbesondere der Alltag in den
Online-Sprachkanälen war für mich völlig neu und anfangs befremdlich. Dass
ich mich hier einlebte, wie jeder andere Spieler eifrig mitspielte und mich auch
selbst in der Artikulation meiner Gefühle während des Spielens nicht zurück-
hielt, war essentielle Voraussetzung, um Vertrauen zu den Spielern aufbauen zu
können. Dadurch ließen sie mich, trotz meiner vorerst vielleicht befremdlichen
Funktion als Forscher, an ihren Erfahrungen – auch an den aus ihrer Sicht mora-
lisch zweifelhaften oder emotional widersprüchlichen – teilhaben.
Dabei kamen auch autoethnografische Verfahren zum Einsatz – das heißt
hier: die reflektierende Beobachtung meines eigenen Tuns und Fühlens während
der Teilnahme an den untersuchten Praktiken. Der analytische Mehrwert dieser
Verfahren, die spätestens seit den 1980er-Jahren Teil der Empirischen Kulturwis-
senschaft/Europäischen Ethnologie/Kulturanthropologie/Volkskunde sind, wird
mas Schürmann/Moritz Geuther/Lioba Thaut (Hg.): Alt und Jung. Vom Älterwerden in
Geschichte und Zukunft. Rosengarten-Ehestorf 2011, S. 357-362.
215 | Was nicht zwangsläufig bedeutet, dass weibliche und männliche Spieler klar zu
unterscheidende emotionale Erfahrungen mit Computerspielgewalt machen. Vgl. dazu
auch Kap. 3.1.6.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364