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VIRTUELL-KÖRPERLICH 95
grafisch ein Gedicht; alleine die farbenprächtigen Salven, die der Flammenwerfer
spuckt, sind eine Augenweide.“4
Bis Ende der 1980er-Jahre wurden die spektakulärsten Effekte noch durch die
in Spielhallen stehenden Videospielautomaten geboten. 1988 wird im Test zum
Kampfjet-Spiel Afterburner von der für damalige Verhältnisse beeindruckenden
3D-Grafik geschwärmt. „Man ballert alles ab, was man abballern kann, und er-
freut sich an der exzellenten Grafik“, kommentiert Boris Schneider und ergänzt:
„Auf Extra-Waffen und ähnliche Details muss man leider verzichten. Trotzdem
spielt man Afterburner immer wieder, denn die Effekte ziehen einen völlig in den
Bann.“5 Und sein Kollege Martin Gaksch meint: „Wenn der Automat nicht so teu-
er wäre (2 Mark pro Spiel), würde ich mir andauernd die Explosionen anschauen.“6
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Freude über gelun-
gene Grafik ist keinesfalls nur auf Schüsse und Explosionen beschränkt. Die
Gestaltung der Landschaften, der Detailreichtum der Figuren, Raumschiffe und
Fantasiewesen, die immer feineren Gesichtszüge, die immer komplexeren Ani-
mationen der Bewegungen, all das ist wichtig für die Bewertung von Computer-
spielen und wird so ausführlich wie wortreich bestaunt. Was in den obigen Bei-
spielen aber bereits mitschwingt, wird dann ab Anfang der 1990er-Jahre, als sich
die meisten ComputerspieljournalistInnen über moralische Bedenken in puncto
Gewalt hinwegzusetzen beginnen, immer konkreter sichtbar: nämlich die (ei-
gentlich naheliegende) Tatsache, dass die spektakulärsten Effekte in Actionspie-
len auch und vor allem in Momenten der Zerstörung bewundert werden können.
Die Artikulation des Genusses solcher spektakulären Effekte ist eine kommu-
nizierende Emotionspraxis, die ich im Folgenden als Effektstaunen bezeichne.
Sie macht nicht nur sichtbar, dass diese Effekte ein wichtiger Bestandteil der mit
Computerspielgewalt gemachten Erfahrungen sind, sondern auch, dass sich zahl-
reiche Differenzierungen in der Rezeption der vielfältigen Eindrücke ergeben.
„Schöner Sterben“
Als eines der ersten, flüssig aus der Ego-Perspektive spielbaren Fantasy-Ac-
tionspiele wird 1992 Ultima Underworld – The Stygian Abyss gefeiert, wobei man
unter anderem den „Realismus“ des Kampfsystems lobt: „Per Maus fuchtelt man
mit seiner Waffe im Grafikfenster herum, wobei sich die Hiebe fein variieren
bzw. dosieren lassen, und ihre blutige Wirkung ‚hautnah‘ am Screen zu sehen
ist.“7 Auch von modernen 3D-Weltraum-Shooter sind viele angetan. Die Welt-
4 | Heinrich Lenhardt: Trantor – The last Stormtrooper. In: Power Play (1988), H. 2, S.
34. http://www.kultpower.de/archiv/heft_powerplay_1988-02_seite34
5 | Boris Schneider/Martin Gaksch: Afterburner. In: Power Play (1988), H. 2, S. 104.
http://www.kultpower.de/archiv/heft_powerplay_1988-02_seite104
6 | Ebd.
7 | Max Magenauer: Ultima Underworld – The Stygian Abyss. In: PC Joker (1992), H. 2,
S. 50. http://www.kultboy.com/index.php?site=t&id=11367&s=1
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364