Seite - 104 - in Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL102
„erst durch eine der sinnlichen Affizierung ‚folgende‘ psychische und kognitive
Formierungsaktivität“ entsteht, weshalb es „letztlich kein wirkliches Berieseln
gibt und alle Rezeption als aktives Verhalten eines Subjekts zu betrachten ist.“29
So zumindest argumentiert Thomas Hausmanninger, der diese Beobachtung mit
Arnold Gehlens Modell der „Funktionslust“ in Verbindung bringt.30 Auch die ver-
meintlich passive Rezeption von filmischen Gewaltdarstellungen ermöglicht, so
Hausmanninger, „jene Lust, die wir an zweckfreien Vollzügen selbst haben, die
gewissermaßen im Genuss der psychophysischen Aktivität als Aktivität, in der
Erregung als solcher, dem energetischen Zustand unserer selbst an sich besteht.“31
Die für das Vergnügen an Computerspielgewalt entscheidende Frage ist nun,
ob daneben eine zweite Art der Beteiligung, nämlich die eigenständige und aktive
Ausübung von Computerspielgewalt, auch spezifische emotionale Erfahrungen
erlaubt. Im Folgenden möchte ich im Anschluss an neuere Studien aus Medien-
psychologie sowie Sozial- und Medienwissenschaft zeigen, dass es diese Unter-
schiede gibt und wichtiger noch, dass sie eine entscheidende Spezifik des Vergnü-
gens an Computerspielgewalt ausmachen.
Der Medienpsychologe Christoph Klimmt diskutierte bereits ein ähnliches
Modell wie das der Funktionslust in Bezug auf Computerspielprozesse. In sei-
ner Dissertation zum „Unterhaltungserleben“ im Computerspiel argumentiert er,
dass eine von drei Säulen desselben das „Selbstwirksamkeitserleben“ der Spie-
ler sei.32 Der unmittelbare zeitliche Zusammenhang zwischen der Eingabe ei-
nes Befehls im Computerspiel und der Ausgabe der resultierenden Effekte, so
Klimmt, bringe eine unterhaltsame „Eingabe-Ausgabe-Schleife“ hervor: „[…] für
das Individuum ist es eine besondere Erfahrung, wenn auf jede Handlung ohne
jegliche Verzögerung eine Reaktion folgt.“33 Während viele gewöhnliche Alltags-
handlungen durch Phasen des Leerlaufs gekennzeichnet seien, könnten Com-
puterspiele (ähnlich wie beispielsweise Musikinstrumente) einen Prozess des
Selbstwirksamkeitserlebens, das heißt „die fortlaufende Wahrnehmung eigener
direkt-kausaler Einflussnahme auf das Geschehen“, aufrechterhalten.34 „Sich
selbst als wirksam, als kausaler Agent zu empfinden“, schlussfolgert Klimmt,
„bereitet dem Subjekt […] großes Vergnügen.“35
29 | Thomas Hausmanninger: Vom individuellen Vergnügen und lebensweltlichen Zweck
der Nutzung gewalthaltiger Filme. In: Ders./Thomas Bohrmann (Hg.): Mediale Gewalt.
Interdisziplinäre und ethische Perspektiven. München 2002, S. 231-259, hier: S. 232.
30 | Ebd., S. 233.
31 | Ebd.
32 | Christoph Klimmt: Computerspielen als Handlung. Dimensionen und Determinanten
des Erlebens interaktiver Unterhaltungsangebote. Köln 2006, S. 76-81, hier: S. 76.
33 | Ebd.
34 | Ebd.
35 | Ebd., S. 79.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364