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VIRTUELL-KÖRPERLICH 103
Ergänzen lässt sich diese Hypothese durch sozial- und medienwissenschaft-
liche Überlegungen von Ralf Adelmann und Hartmut Winkler, die ebenfalls ein
auf Computerspiele zugeschnittenes Handlungsmodell entwickeln und dafür
den Begriff der „Para-Aktion“ prägen.36 Diese sind „Handlungen in Computer-
spielen […], die ein handelndes Subjekt implizieren und hervorbringen“37 und
in deren Zentrum „das ‚reale‘ Vergnügen an unmittelbar verkoppelter Aktion/
Reaktion“38 steht. Diese Überlegungen schließen sie an Norbert Elias’ Arbeiten
zum Prozess der Zivilisation an, in denen er argumentiert, dass die Moderne
durch eine fortschreitende Verlängerung von Handlungsketten gekennzeichnet
sei. In Alltag und Arbeitsleben hätten unsere Handlungen immer seltener unmit-
telbare und konkret nachvollziehbare Effekte. Vor diesem Hintergrund könnten,
so Adelmann und Winkler, die kurzen Handlungsketten in Computerspielen als
besonders positiv erfahren werden.
Problematisch ist sicherlich, dass Adelmann und Winkler keinerlei empiri-
sche Beobachtungen vorlegen, die ihre Hypothese stützen. Auch Klimmt bietet in
seiner Dissertation keine experimentelle Prüfung der oben stehenden Hypothese
an.39 Für die praxisorientierte Perspektive der vorliegenden Arbeit ist außerdem
hinderlich, dass die Hypothesen der drei Autoren auf medienpsychologischen
beziehungsweise eher klassischen sozialwissenschaftlichen Handlungsmodellen
und Subjektbegriffen aufbauen. Dennoch möchte ich der Annahme eines Selbst-
36 | Ralf Adelmann/Hartmut Winkler: Kurze Ketten. Handeln und Subjektkonstitution in
Computerspielen. In: Ästhetik und Kommunikation 41 (2010), H. 148, S. 99-107, hier:
S. 102.
37 | Ebd.
38 | Ebd., S. 103.
39 | In seiner Dissertation prüft er mit experimentellen Studien nur seine anderen beiden
zentralen Thesen zum Unterhaltungserleben. Vgl. Klimmt: Computerspielen als Handlung.
Allerdings reicht Klimmt gemeinsam mit Kollegen eine u.a. auf „effectance“ ausgerichtete
experimentelle Studie nach, die wohl einer Prüfung seiner These des Selbstwirksamkeits-
erlebens entspricht. Aus empirisch-kulturwissenschaftlicher Sicht ist die Versuchsanord-
nung jedoch nur von bedingter Aussagekraft. Für dieses Experiment spielten 500 Spieler
ein einfaches 2D-Computerspiel, bei der eine spielergesteuerte Plattform am unteren
Bildschirmrand einen Ball gegen bunte Klötzchen abprallen lässt – einmal in normaler
Variante und einmal in einer Version, bei der ein Drittel der Eingaben (bspw. Steuertaste
links) wirkungslos bleibt. Letztere Variante stellt für die Forscher ein Beispiel für vermin-
derte „effectance“ dar. Die Spieler sollten danach einen Fragebogen ausfüllen, um u.a.
ihr „game enjoyment“ zu messen. Mit welchen konkreten Fragen/Skalen letzteres ge-
messen wurde, bleibt unklar. Jedenfalls stellen die Autoren ein unterschiedliches „game
enjoyment“ bei den verschiedenen Spielversionen fest – bei der normalen Version höher,
bei der veränderten (quasi kaputten) niedriger. Vgl. Christoph Klimmt/Tilo Hartmann/
Andreas Frey: Effectance and Control as Determinants of Video Game Enjoyment. In:
CyberPsychology & Behavior 10 (2007), H. 6, S. 845-847.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364