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VIRTUELL-KÖRPERLICH 125
Waffe werde zum künstlerischen Werkzeug, zum „Pinsel“.114 Wer die „Hürde“ vor
dieser Perspektive überwinde, der erkenne rasch,
„dass die Gewalt dem Spieler eine Staffelei bietet, auf der er selbst malen darf, anstatt
nur eine statische, vorgefertigte Welt zu betrachten. So mancher Shooter-Spieler wird
sich schon mal dabei ertappt haben, dass er einen Gegner, den er schon im Fadenkreuz
hatte, eben nicht sofort abgeknallt hat. Warum? Weil er erst vor der Wand stehen sollte,
auf die dann das Blut spritzt. Zu glauben, der Spieler treffe eine solche Entscheidung aus
Mordlust, ist weltfremd. Es geht ihm um den krassen Effekt beim Treffen und darum, die
Spielwelt mit seiner Entscheidung zu verändern.“115
Dass Peschke hier den positiv konnotierten Begriff der Kreativität mit Nachdruck
hervorhebt, ist vermutlich auch den negativ wertenden Diskursen rund um soge-
nannte Killerspiele geschuldet, denen ComputerspieljournalistInnen gerne posi-
tiv gedeutete Erfahrungen mit Computerspielgewalt entgegenstellen. Nicht von
der Hand zu weisen ist aber Peschkes aus jahrelanger Erfahrung als Spieletester
gespeiste Beobachtung, dass das Vergnügen an der Ausübung von Computer-
spielgewalt auch ein Vergnügen an einer gestaltenden Tätigkeit sein kann.
Genau diese Möglichkeit der Gestaltung im Zuge des virtuellen Tötens hebt
auch die oben angeführte Werbung zu Max Payne 3 hervor. Dass sich dieses
Versprechen für viele Spieler tatsächlich erfüllt, zeigen die Let’s Play-Videos.
Piet beispielsweise ist sehr angetan von den Kampfanimationen des Spiels Max
Payne 3. In einer LP-Folge ist er gerade gemeinsam mit einem computergesteu-
erten Mitstreiter in Deckung gegangen und wird von mehreren Gegnern atta-
ckiert (empfohlenes Beispiel).116 Immer wieder taucht er kurz aus der Deckung
auf, um einen nach dem anderen auszuschalten. Der letzte von ihnen ist aber
gut verschanzt. Piet sprintet kurzerhand aus seiner Deckung und vollführt einen
gewagten Hechtsprung über eine Ballustrade. Das Spiel schaltet automatisch in
die Bullet Time und Piet kann während des Flugs in Zeitlupe dem Gegner einen
Kopfschuss geben. Schon während des Schießens erkennt Piet die Eleganz seiner
Aktion und prahlt: „Oh ja! Oh ja! Ich bin da gerade fett drüber gesprungen und
geb dem gerade einen Schuss nach dem nächsten. Ha ha!“, und als die Zwischen-
sequenz einsetzt, fügt er an: „Das war … das war irgendwie nett.“ Piet artikuliert
hier die Freude an der kreativen Gestaltung eines virtuell-körperlichen Prozesses
im Zuge des Tötens eines Gegners. Durch die embodiment relation zum eigenen
Avatar ist der virtuelle Körper zugleich das Objekt der Gestaltung als auch das
Medium, um diesen selbstgestalteten Prozess virtuell-körperlich zu erfahren.
114 | Ebd.
115 | Ebd.
116 | PietSmiet (Piet): Let’s Play Max Payne 3 #004 [Deutsch/HD/PS3] - Schwierig-
keit: Pain in the ass (21.5.2012), 0:10-0:50. https://www.youtube.com/embed/XaNBvr
HGOmg?start=10&end=50
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364