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Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
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GEWALT IM COMPUTERSPIEL128 wenn sie sich bewusst von den medialen Bedeutungsangeboten distanzieren möchten. Drittens scheine es abwegig, dass sich die Spieler permanent die Vir- tualität der Spielsituation reflexiv vor Augen halten, weil sie nach Unterhaltung streben und die Distanzierung vom Spielprozess diese behindere. Hartmann und Vorderer schlussfolgern: „In the light of the above arguments, it seems reasonable to assume that users do con- front ‚some sort of‘ social entities, not simply objects, when they shoot video game cha- racters. The knowledge that virtual characters are mediated and do not really exist is not completely forgotten. Rather, automatic processes and users’ motivational disposition ignore that information for the moment, so that users temporarily forget that their expe- rience is mediated […]. Lacking an existing term, we suggest that players perceive video game characters as quasi-social […].“122 Auch wenn eine ethnografische Studie die einzelnen medienpsychologischen Thesen, etwa zu automatisch ablaufenden Wahrnehmungsprozessen, weder bestätigen noch entkräften kann, lässt sich die Beobachtung einer quasi-sozia- len Wahrnehmung virtueller Körper ethnografisch nachvollziehen. Denn Let’s Player gehen mit ihren Avataren und Gegnern regelmäßig (allerdings nicht im- mer123) quasi-sozial um. Wie auch Hartmann und Vorderer argumentieren, ist das dadurch vollzogene Sich-Einlassen auf den quasi-sozialen Status der Gegner niemals ein vollständiges. Es ist spielerisch, zugleich ernst und nicht ernst, und gerade dadurch ermöglicht der Umgang mit virtuellen Körpern ein Vergnügen an auch sozial orientierten Bedeutungs- und Emotionspotenzialen von Gewalt. Konkretisieren lassen sich diese Potenziale durch einen Rückgriff auf Über- legungen von Heinrich Popitz, denen zufolge physische Gewalt immer auch eine soziale Bedeutung hat, aus der ein besonderes Emotionspotenzial entsteht: „Kör- perliche Verletzung ist beim Akteur häufig und wohl immer beim Betroffenen mit starken Emotionen verbunden.“124 Das liege aber nicht nur an den körperli- chen Schmerzen. „Gewiss sind körperliche Schmerzen meist aushaltbar und in gewisser Weise überwindbar. Aber Schmerzen, die uns ein anderer zufügt, sind niemals etwas ‚bloß Körperliches‘. Wir können uns in der Beziehung zu einer anderen Person nicht aus unserem Körper zurückziehen.“125 Ganz ähnlich for- muliert es Wolfgang Sofsky in seinem „Traktat über die Gewalt“: „In der physi- schen Zerstörung liegt die Substanz aller Gewalt. Aber das ist nicht alles. Der Kör- per ist nicht ein Teil des Menschen, sondern dessen konstitutionelles Zentrum. Daher trifft die Verletzung zugleich Seele und Geist, das Selbst und die soziale 122 | Ebd. S. 96-07. 123 | Deshalb kann auch eine grundlegende Definition von virtueller Gewalt nicht auf der Annahme solcher quasi-sozialer Beziehungen aufbauen (vgl. dazu Kap. 2.2.1). 124 | Popitz: Phänomene der Macht, S. 45. 125 | Ebd.
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Gewalt im Computerspiel Facetten eines Vergnügens
Titel
Gewalt im Computerspiel
Untertitel
Facetten eines Vergnügens
Autor
Christoph Bareither
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-8394-3559-5
Abmessungen
14.8 x 22.5 cm
Seiten
370
Schlagwörter
Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. Einleitung 7
  2. 2. Theorie und Methode 15
    1. 2.1 Vergnügen 15
      1. 2.1.1 Pleasure 16
      2. 2.1.2 Praktiken 18
      3. 2.1.3 Doing Emotion 24
      4. 2.1.4 Emotionale Erfahrungen 33
    2. 2.2 Ludisch-virtuelle Gewalt 39
      1. 2.2.1 Zum Problem individueller Wahrnehmung 40
      2. 2.2.2 Physische Gewalt 47
      3. 2.2.3 Virtuelle Gewalt 51
      4. 2.2.4 Ludische Gewalt 58
    3. 2.3 Forschungsdesign 63
      1. 2.3.1 Eingrenzungen 64
      2. 2.3.2 Teilnehmende Beobachtung online und offline 65
      3. 2.3.3 Qualitative leitfadengestützte Interviews 75
      4. 2.3.4 Let’s Play-Videoanalyse 77
      5. 2.3.5 Analyse von Computerspielzeitschriften 83
      6. 2.3.6 Softwaregestützte Analyse ethnografischer Daten 85
      7. 2.3.7 Abgrenzungen 89
  3. 3. Virtuell-körperlich 93
    1. 3.1 Angriff 93
      1. 3.1.1 Effektstaunen 94
      2. 3.1.2 Einschlagslust 101
      3. 3.1.3 Avatare als Medien virtuell-körperlicher Erfahrung 108
      4. 3.1.4 Gekonntheit und Eleganz 115
      5. 3.1.5 Dominanz 126
      6. 3.1.6 ‚Männliche‘ Erfahrungen 137
    2. 3.2 Widerfahrnis 147
      1. 3.2.1 Stress, Spannung und Schreck 147
      2. 3.2.2 Affizierung 157
      3. 3.2.3 Schmerz und Tod 167
    3. 3.3 Aufrüstung 174
      1. 3.3.1 Waffe, Rüstung, Kampfmaschine 174
      2. 3.3.2 Looten und Leveln 190
  4. 4. Kompetitiv und kooperativ 199
    1. 4.1 Besser sein 199
      1. 4.1.1 Highscore 200
      2. 4.1.2 Player versus Player 205
    2. 4.2 Zusammenhalten 222
      1. 4.2.1 Gemeinsam kämpfen 224
      2. 4.2.2 Emotional Communities 235
  5. 5. Dramatisch und deviant 247
    1. 5.1 Einfühlen 247
      1. 5.1.1 Sich-Einlassen und Sich-Distanzieren 248
      2. 5.1.2 Traurigkeit und Wut 253
      3. 5.1.3 Gerechte Gewalt 261
    2. 5.2 Feinde machen 266
      1. 5.2.1 Abneigung und Hass 266
      2. 5.2.2 Dynamik der Rache 272
    3. 5.3 Überschreiten 279
      1. 5.3.1 Humorvolle Inkongruenzen 281
      2. 5.3.2 Ärgern und Trollen 293
  6. 6. Ambivalent 297
    1. 6.1 Ablehnen, rechtfertigen, genießen 297
      1. 6.1.1 Von der Ablehnung zur Akzeptanz 297
      2. 6.1.2 Positive Deutungen 301
    2. 6.2 Sich schlecht fühlen 304
      1. 6.2.1 Schockierung, Mitleid und kritische Reflexion 306
      2. 6.2.2 Schuld 313
  7. 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
  8. Literatur und Anhang 333
  9. Literatur 333
  10. Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
  11. Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
  12. Verzeichnis der geführten Interviews 364
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