Seite - 142 - in Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL140
ankündigt, er werde einen Gegner „aus seinem Leben fisten“, beziehungsweise
sie werden in alltägliche Koordinierungsgespräche unter Online-Spielern einge-
flochten, etwa wenn Marco die von ihm geleitete Spielergruppe im MMORPG The
Elder Scrolls Online anweist, sie solle über eine verfeindete Fraktion „drüberrut-
schen“. (FT) Auch hier geht man kreativ mit den ursprünglichen Wortstämmen
um: Aus „ficken“ kann beispielsweise in Anlehnung an „zerstören“ oder „wegma-
chen“ „zerficken“ oder „wegficken“ werden. (FT) Zu den sexuellen Konnotationen
gehört auch, dass Gegner gelegentlich mit den Begriffen „Bitch“ oder „Pussy“
beschimpft werden. (FT) Sehr selten, aber durchaus möglich ist außerdem, dass
sexuelle Konnotationen in Zusammenhang mit Computerspielgewalt bereits in
die Spielsoftware eingeschrieben sind. So kommentiert beispielsweise der Avatar
Trevor (vgl. zu dessen Spezifik auch Kap. 5.3.1) in GTA5 das Killen von Gegnern
manchmal mit: „You are fucked! I am fucking you!“161
Die Häufigkeit der Verwendung sexueller Konnotationen variiert stark. Der
Let’s Player Sarazar beispielsweise und auch viele meiner Mitspieler in Multiplay-
er-Games verwenden sie überhaupt nicht, andere Spieler dagegen regelmäßig.
Generell seltener als die Einbindung von Begriffen wie „ficken“, aber mindestens
genauso signifikant, ist die Verwendung des englischen Begriffs „rapen“, den
man in Let’s Play-Videos kaum, doch in den Sprachkanälen mancher Multiplayer-
Spiele (insbesondere bei Shootern) regelmäßig hört. So meint Petator in einer
hitzigen Diskussion nach einem aufreibenden Kampf mit einem gegnerischen
Team in DayZ beispielsweise: „Man kann die Leute eigentlich nur mit einer Sa-
che bestrafen, einfach nur, indem man sie raped.“ (FT) Aber auch in anderen
Spielsituationen wird von „rapen“ gesprochen. Als ich mich eines Tages in DayZ
einloggte, bereitete sich eine Gruppe befreundeter Spieler gerade darauf vor, ei-
nige nichtsahnende menschliche Gegner in einer Stadt anzugreifen. Man wolle
gleich einen „rape train“ starten, kommentierte mein Mitspieler Kerby fröhlich:
„der Zug fährt ab um 18:30 Uhr.“ Ich lachte und fragte, was denn ein „rape train“
sein soll. Er antwortete, das sei im Prinzip das Gleiche wie auch auf Deutsch: „ein
Vergewaltigungszug“. (FT)
In all diesen Beispielen werden dezidiert männlich konnotierte Sexualprakti-
ken (ich rechne das „rapen“ dazu) als Synonyme für die Ausübung von Compu-
terspielgewalt verwendet. Zwar ist die semantische Bedeutung von Begriffen wie
„ficken“ nicht auf Personen männlichen biologischen Geschlechts als Ausüben-
de begrenzt, doch genau das ist hier jeweils gemeint (wie auch Spieler in Inter-
views bestätigen). Dadurch wird durch kommunizierende Emotionspraktiken ein
konkreter Bezug zwischen Männlichkeit, Sexualität und Computerspielgewalt
hergestellt.
161 | PietSmiet (Piet): GTA 5 # 15 - Meeeeeeeeet Trevor «» Let’s Play Grand Theft Auto
V | HD (30.9.2013), 15:15-15:25. https://www.youtube.com/embed/qLrv5DMKFIw?start
=915&end=925
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364