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VIRTUELL-KÖRPERLICH 149
„Aus der Schwärze des Alls rasen heulend die imperialen Raumschiffe heran, die ihr
Dauerfeuer eröffnen. Ohne Konzentration ist nichts zu wollen! […] Hat man die Attacke
überstanden, fliegt man direkt auf den Todesstern. Die Soldaten des Imperiums feuern
aus allen Rohren. […] Ein Husarenritt von geradezu unglaublicher Realität: Laserschutz-
schirme tauchen aus dem Nichts auf, und unvermittelt öffnen sich die Luken der Ge-
fechtstürme und schießen Dauerfeuer. […] Man kommt tatsächlich ins Schleudern ob der
geballten Attacke.“174
Die virtuell-körperliche Bedrohungssituation, so der damalige Tenor, versetzt die
Spieler in Stress und dieser Stress macht Spaß. Das gleiche Prinzip hat sich bis
heute erhalten – das kommt in Let’s Play-Videos regelmäßig durch kommuni-
zierende Emotionspraktiken zur Sprache. Noch häufiger als Artikulationen von
Einschlagslust, Effektstaunen oder Dominanz sind hier Artikulationen von Stress
beziehungsweise einem Gefühl der Bedrohung zu hören.
In einer der ersten Missionen der Singleplayer-Kampagne im Ego-Shooter
Battlefield 3 bewegt sich beispielsweise der Let’s Player Sarazar mit seinem Avatar
als US-Soldat durch eine irakische Stadt (empfohlenes Beispiel).175 Gemeinsam
mit anderen Marines soll er eine Gruppe eingeschlossener Kameraden retten. Zu
Beginn ist alles recht ruhig, als Teil des computergesteuerten Einsatztrupps muss
Sarazar von Haus zu Haus vorrücken. Als sie auf eine offene Fläche hinaustreten,
wird der vor Sarazars Avatar stehende Soldat von einem Scharfschützen getroffen,
was durch eine effektvolle Animation (Blut spritzt dem Avatar ins Auge) und ein
die Stille zerfetzendes Einschussgeräusch untermalt wird. „Boah!“, ruft Sarazar:
„Verdammte Scheiße!“ Auf Knopfdruck zieht er seinen angeschossenen Kamera-
den in Deckung, während um ihn herum jede Menge Schüsse einschlagen und
andere Soldaten zu schreien beginnen. Auch Sarazars Avatar wird getroffen und
sein Bildschirm färbt sich am Rand mit Blut ein – die gängige Visualisierung
von Verletzungen des eigenen Avatars in neueren Shootern. Er startet einen Ge-
genangriff gegen die anrückenden Terroristen, doch der Feindbeschuss ist uner-
wartet heftig. Eine Granate explodiert mit lautem Knall. „Boah! Alter Schwede!
Was geht denn jetzt ab hier?“, ruft Sarazar aus, tötet einen Gegner und lässt seine
computergesteuerten Kameraden wissen: „Lade nach!“ Sogleich stürmt er wieder
nach vorn, doch wieder landet er mitten in einem Kugelhagel: „Boah! Junge, Jun-
ge, Junge, Junge!“, kommentiert er und rennt wieder in Deckung zurück. Lang-
sam arbeitet sich sein Trupp weiter nach vorn, der Stress durch die Bedrohung
wechselt mit Erfolgen in der Ausübung von Computerspielgewalt, bis Sarazar
letztlich siegt.
174 | O.A.: Die Rückkehr der Jedi-Ritter. Der Videoautomat. In: Telematch (1983), H. 7,
S. 21. http://www.kultpower.de/archiv/heft_telematch_1983-07_seite20
175 | Sarazar: BATTLEFIELD 3 #001 - Auf in die Schlacht [HD+] | Let’s Play Battlefield 3
(26.10.2011), 11:05-14:04. https://www.youtube.com/embed/PfMFAEoVX1Y?start=665
&end=844
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364