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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL166
anhand der Slender-Videos von Martin und Daniel. Den drei Anfangsepisoden
folgen fünf weitere, in denen beide Let’s Player immer weniger schreckhaft auf
den Spielprozess reagieren. Als sie am Ende der vierten Folge (die sie einige Tage
nach den ersten Folgen aufgenommen haben) vom Slenderman erwischt werden,
schreien sie nur noch kurz auf und Martin kommentiert: „[I]ch muss sagen, ich
hab jetzt zwar geschrien, aber es war noch nicht so tilt [hier in etwa: intensiv,
C.B.], also ich war noch nicht so durch, wie letztes Mal.“230 In der fünften Fol-
ge beginnt der vormals als spannend empfundene Wummer-Sound die beiden
nur noch zu nerven und sie drehen ihre Kopfhörer leiser. In der siebten Folge
erschrecken sie sich dann am Ende so wenig vor dem Slenderman, dass sie sich
bei ihren ZuschauerInnen dafür entschuldigen und ihnen empfehlen, sich die
ersten Folgen der Reihe anzusehen. Dort könne man erfahren, „wie das mit der
Panik wirklich ist.“231 Zu guter letzt, am Ende der achten Folge, erschreckt sich
Daniel schon überhaupt nicht mehr vor dem Slenderman und kommentiert resi-
gniert: „Es wird langsam echt ein bisschen fad. Also es ist immer noch nett, aber
es kitzelt nicht mehr.“ Und Martin ergänzt: „Wir sind so langsam schon fast ein
bisschen genervt eher.“232
Diese Aussagen dürfen nicht als Hinweise auf eine Desensibilisierung oder
gar Verrohung der Spieler aufgrund des wiederholten Umgangs mit Computer-
spielgewalt missverstanden werden, wie es öffentliche Diskurse rund um soge-
nannte Killerspiele immer wieder nahelegen. Vielmehr flacht die durch Jörg von
Brincken beschriebene Neugier, die der Erfahrung der Affizierung des eigenen
faktischen Körpers inhärent ist, nach der wiederholten Konfrontation mit sich
ähneln
den Momenten der Spannung und des Schreckens ab. Wenn der Reiz die-
ser Erfahrung aus der Ungewöhnlichkeit beziehungsweise Neuartigkeit der Kör-
pererfahrung hervorgeht, dann ist sie aus ihrer eigenen Struktur heraus nicht
unbegrenzt wiederholbar. Die Neugier ist, zumindest für eine Zeit, gestillt und
die positive Deutung der Affizierung des eigenen Körpers weicht einem negati-
ven Gesamteindruck.
230 | GameTube: Horror - Slender Gameplay mit Facecam #4 - Let’s Play Slender Game
German (28.7.2012), 9:00-9:30. https://www.youtube.com/embed/up0HIajzWn4?start=
540&end=570
231 | GameTube: Horror - Slender Gameplay mit Facecam #7 - Let’s Play Slender Game
German (1.9.2012), 14:20-14:50. https://www.youtube.com/embed/TP0zaxqAQes?start
=860&end=890
232 | GameTube: Horror - Slender Gameplay mit Facecam #8 - Let’s Play Slender Game
German (9.9.2012), 13:15-13:35. https://www.youtube.com/embed/y8fZqzQu7Yc?start=
795&end=815
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364