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VIRTUELL-KÖRPERLICH 171
ren Momenten eines Spiels wiedereinzusteigen. Der Wiedereinstieg in ein Spiel
wird als Respawn bezeichnet, also als eine Wiederhervorbringung des eigenen
Avatars. Für den Spieler Limaneel ist genau das auch prägend für die Erfahrung
des virtuellen Sterbens. Im Interview kommentiert er:
„Sterben [im Computerspiel, C.B.] bedeutet für mich: im aktuellen Versuch gescheitert,
neuer Anlauf, neue Runde, neues Glück. […] Man ist halt raus für die Runde. Oder man
muss halt zum Respawn zurück. Es ist für mich tatsächlich auch kein Sterben, sondern
es ist ein Außer-Gefecht-Gehen. […] Würde man das ins Real Life übertragen, wäre das
vielleicht ein K.O.-Schlag, als mehr würd ich es nicht sehen. […] Computerspiele spielen
ganz bewusst mit der Möglichkeit, einen neuen Versuch zu starten. Als nichts anderes
nehme ich das auch an.“ (IV11)
Limaneels Vergleich mit dem K.O.-Schlag verweist auf zweierlei: Erstens ist das
virtuelle Sterben nicht endgültig, zweitens wird es als ein körperlicher Prozess
interpretiert. Um die Körperlichkeit des Prozesses hervorzuheben, wird bei man-
chen neueren First-Person-Actiongames (etwa Skyrim oder auch Counter-Strike:
Global Offensive) beim Tod des Avatars die Perspektive förmlich aus dem Körper
herausgeschleudert: Mit dem entscheidenden eingesteckten Treffer verlässt die
Bildschirmperspektive den virtuellen Körper und lässt den Spieler die Wucht des
tödlichen Einschlags von außen bestaunen. Eine radikalisierte Form davon zeigt
die oben beschriebene Sequenz aus Outlast, in der man seinen eigenen, enthaup-
teten Avatarkörper aus der Ego-Perspektive betrachtet. In Third-Person-Actionga-
mes steht der Avatarkörper dagegen von vornherein im Blickfeld des Spielers und
dementsprechend ist auch sein Sterben stets sichtbar. Inzwischen werden hier
oft ähnliche Effekte eingesetzt wie bei der Ausübung von Computerspielgewalt:
Der eigene Avatar geht etwa in Zeitlupe zu Boden oder die Bildschirmperspektive
zoomt noch einmal an das Geschehen heran. Kurzum: Das Sterben ist zwar nur
eine Unterbrechung – aber eine, die dem Spieler mit virtuell-körperlicher Wucht
vor Augen geführt wird.
Die oft sehr konkreten Repräsentationen eines gewaltsamen Todes des eige-
nen Avatars bieten zugleich spezifische Bedeutungen an. Der Spieler Wooshy be-
schreibt diese so:
„Das einzig Absolute, was der Mensch kennt, ist halt nunmal der Tod. Das kannst du sonst
[in Computerspielen, C.B.] nicht vernünftig aufbauen, dieses Spannungselement. […] Ich
glaube, dass diese Komponente, jemanden zu töten oder selber getötet zu werden, ein-
fach nen Cut in das Spiel bringt oder in den Spielverlauf bringt oder in das Denken rein-
bringt, der halt irgendwas aussagt im Sinne von: Das ist jetzt fertig, das ist jetzt absolut,
jetzt gibt’s nichts mehr.“ (IV24)
Auf diesen „Cut“ reagieren Spieler und Let’s Player sehr unterschiedlich. Manch-
mal nehmen sie ihn ausdruckslos, gelangweilt oder mit einem kurzen, überrasch-
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364