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VIRTUELL-KÖRPERLICH 175
Die Entwicklung des audiovisuellen Detailreichtums nahm aber auch hier
schnell an Fahrt auf. Anfangs wurden die virtuellen Waffen größer und effekt-
voller. Der Testbericht zum Weltraum-Shooter Turmoil von 1983 beschreibt bei-
spielsweise, wie einem „als Pilot eines intergalaktischen Kampfjägers […] viele
schlimme Wesen“ in „heftigen Angriffswellen von links und rechts her gleich-
zeitig“ entgegenkommen: „Aber zum Glück sind Sie im Besitz einer äußerst leis-
tungsstgarken [sic] Photonen-Kanone, ein Treffer kann gleichzeitig bis zu sieben
Angreifer in kosmischen Staub zerlegen.“244
Bald schon vergrößerte sich nicht mehr nur die virtuelle Feuerkraft der Waf-
fen, sondern auch deren Abwechslungsreichtum. Im Actiongame Aztec für den
Commodore 64 von 1984 – ein in Anlehnung an die Indiana Jones-Filme gestalte-
ter Vorläufer der heutigen Tomb Raider-Spiele – konnte ein vom Spieler aus der
2D-Perspektive gesteuerter, wagemutiger Archäologe bereits Machete, Pistole
oder auch Dynamit gegen allerlei Skorpione, Schlangen und Monster einsetzen.245
Im gleichen Jahr experimentierte man bereits mit komplexeren Steuerungsan-
forderungen für den Einsatz von Waffen. Im Bogenschieß-Spiel Forbidden Forest
mussten Spieler beispielsweise den eigenen Avatar erst via Knopfdruck seinen
Bogen spannen lassen, dann den Bogen im richtigen Winkel auf die anrücken-
den Gegner richten und schließlich durch einen zweiten Knopfdruck den Pfeil
abschießen, während bereits der nächste Gegner anrückte. Was aus heutiger Per-
spektive simpel erscheint, bewerteten die damaligen Tester als motivierende Her-
ausforderung in Sachen Steuerung, Timing und Präzision.246
Während die Steuergeräte früher Spielekonsolen oft nur einen Joystick für die
Bewegung und einen einzigen Knopf zum Angreifen hatten, bot der PC als Spiel-
gerät komplexere Möglichkeiten. 1988 feierten die Tester des Fantasy-Rollenspiels
Dungeon Master, dass man beim Bekämpfen von Monstern aus der Ego-Perspek-
tive nicht nur auf eine Vielzahl an Waffen zurückgreifen konnte, sondern diese
via Maussteuerung in Echtzeitkämpfen wahlweise zum Stechen, Hauen, Werfen
oder sonstigen Angriffen einsetzen durfte.247 Anfang der 1990er-Jahre gehörten
verschiedene Waffen und Angriffsarten dann bereits zum Pflichtprogramm für
Actionspiele und waren damit von Beginn an fester Bestandteil des aufkommen-
den Genres der Ego-Shooter. Im genreprägenden Doom von 1993 hatte man be-
reits die Qual der Wahl:
244 | O.A.: Schrecken im Weltraum. In: Telematch (1983), H. 3, S. 47-48, hier: S. 47.
http://www.kultpower.de/archiv/heft_telematch_1983-03_seite46
245 | Vgl. O.A.: Aztec. Die Rache des Archäologen. In: Telematch (1984), H. 5+6, S. 54.
http://www.kultpower.de/archiv/heft_telematch_1984-05_seite54
246 | Vgl. Hartmut Huff: Forbidden Forest. Im Wald, da sind die Monster. In: Telematch
(1984), H. 9, S. 48. http://www.kultpower.de/archiv/heft_telematch_1984-09_seite48
247 | Vgl. Boris Schneider/Heinrich Lenhardt: Dungeon Master. In: Power Play (1988), H.
2, S. 78-79. http://www.kultpower.de/archiv/heft_powerplay_1988-02_seite78
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364