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VIRTUELL-KÖRPERLICH 185
Auch die Auswahl eines Waffenskins kann zum sozialen Prozess werden.
Als ich einige Tage nach einer LAN-Party, die ich mit Fox und seinem Counter-
Strike-Team besuchte (vgl. Kap. 4.1.2), mit den Spielern im Sprachkanal rumhing,
dachte ein langjähriger Freund der Profis laut darüber nach, sich einen neuen
Messerskin zu kaufen. Da gute Messerskins zu den teuersten überhaupt gehören,
wollte die Entscheidung reiflich überlegt sein. Eine Weile diskutierten sie, ob sich
der Spieler lieber ein Flipknife (also ein filigranes Klappmesser) oder ein Bajonett
(ein breites, starkes Kampfmesser) kaufen sollte – die Unterschiede bezogen sich
auch hier nur auf die optische Repräsentation der Waffe. Schließlich zirkulierte
die Diskussion darum, welches Erscheinungsbild am besten zu diesem Spieler
„passt[e]“. Sein Freund Fox kam zu dem Schluss: „Kauf dir ein Bajonett, das passt
viel besser zu dir, das ist so breit und scharf.“ (FT) Als ich ihn später ihm Inter-
view frage, warum er ihm dieses Messer empfohlen hat, bezieht sich Fox auf das
(physische) Aussehen seines Mitspielers und seinen Charakter: „Weil er eher so
der direkte Typ ist, halt ein bisschen breiter und so (lacht), keine Ahnung. Ich find
da passt einfach nicht so ein dünnes, hässliches … weiß ich nicht, […] zu ihm passt
so ein richtiges Bajonett, dickes…“ – hier unterbricht ihn sein Kumpel Skilly: „Fet-
te Machete! So ein Huntsman-Messer [starkes und breites Jagdmesser, C.B.].“ Fox
stimmt prompt zu: „Huntsman, […], ja Mann, das passt perfekt zu ihm.“ (IV6)
Deutlich wird bei all dem, dass Waffen auch als ästhetische Objekte der An-
schauung in den Spielprozess und die das Spielen umgebenden Praktiken einge-
bunden werden. Auch in dieser Funktion gehören sie zum Prozess ludisch-virtu-
eller Gewalt. Denn das Gefühl, eine als besonders schön und passend gedeutete
Waffe zu führen, prägt und bereichert aus Perspektive der Spieler den Spielpro-
zess als Ganzen.
Rüstungen und Kampfmaschinen
Eine ähnliche Doppelfunktion wie Waffen nehmen auch virtuelle Rüstungen
und virtuelle Kampfmaschinen, wie beispielsweise bewaffnete Fahr- oder Flug-
zeuge, ein. Sie alle eröffnen den Spielern einerseits bestimmte Aktionspotenziale
und ermöglichen so bestimmte emotionale Erfahrungen, zugleich sind sie selbst
Objekte der ästhetischen Rezeption. Sie unterscheiden sich insofern von Waffen,
als die durch sie eröffneten Aktionspotenziale nicht immer in der unmittelbaren
Ausübung von Computerspielgewalt bestehen. Dennoch haben sie alle am Pro-
zess ludisch-virtueller Gewalt Teil.
In einer ganzen Reihe bekannter Actiongames ist es erst die Rüstung be-
ziehungsweise der Kampfanzug, der den Helden zu einem Helden macht: der
„Hazardous Environment Suit“ des Wissenschaftlers Gordon Freeman in Half-
Life, der „Nano-Suit“ der wechselnden Soldaten in der Crysis-Reihe oder auch die
mit allerlei Tarnfunktionen gespickte Spezialausrüstung des Top-Agenten Sam
Fisher in den Splinter Cell-Spielen sind nur einige von zahlreichen Beispielen.
Diese Rüstungen und Anzüge verleihen ihren Trägern, den Avataren, und damit
den Spielern, besondere Fähigkeiten, die fast ausschließlich auf ludisch-virtuelle
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364