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VIRTUELL-KÖRPERLICH 187
„Ich würde auch, wenn ich mir jetzt halt mit v10 [Veteranenlevel 10, dem zum Zeitpunkt
des Interviews höchsten Levels eines Avatars, C.B.] mir dann wirklich ne Rüstung erstelle
[…], dann gucken auch, welche Rüstung mach ich mir: kaiserliche, bretone, orkisch …
[verschiedene optische Stile, C.B.] Da guck ich auch: Was sieht am Besten aus? Was
passt am ehesten zum Healer [Heiler, C.B.]? Als Healer möcht ich halt nicht aussehen wie
so ein halber Tank [schwer gepanzerter Avatar, C.B.], ne? Sondern wirklich mit Kleidchen
und viel Haut und, ne? […] Und halt so nen Tank muss halt wirklich mit Stahl bepackt,
fetter Helm und so, find ich, doch, sollte schon so sein … also da leg ich schon ziemlich
viel Wert drauf.“ (IV7)
Deutlich wird hier, dass der Spielstil, die gewählten Waffen oder Angriffsarten
sowie die Rüstung und Kleidung der Spielfigur durch die Spieler zu ästhetischen
Einheiten zusammengebunden werden, die ihnen eine in-sich-geschlossene, ge-
schmacklich fein abgestimmte und als schön empfundene virtuell-körperliche
Erfahrung erlauben.
Eine spezielle Variante solcher ästhetischer Einheiten sind Kampffahrzeuge
oder -flugzeuge, die vor allem in Shootern regelmäßig zum Einsatz kommen:
beispielsweise Helikopter, Düsenjets, Kampfboote und allen voran waffenstar-
rende Panzer. Virtuelle Panzer sind das wohl eindrücklichste Beispiel für vir-
tuelle Kampfmaschinen: Sie sind gigantische Waffen und geballte Rüstungen
zugleich. Genau wie andere Waffen sind sie konzeptionell nicht von den Avataren
der Spieler zu trennen. In älteren Panzerspielen ist der Panzer der Avatar und
das gleiche Prinzip findet sich beispielsweise im populären zeitgenössischen On-
line-Multiplayer-Panzerspiel World of Tanks wieder. In anderen Militärshootern
können Spieler dagegen mit ihren menschlichen Avataren in Panzer oder andere
Fahr- und Flugzeuge einsteigen. Im Moment des Einstiegs wird die Steuerung
völlig verändert: Durch seine Eingabegeräte steuert der Spieler nicht mehr den
menschlichen Avatar, sondern direkt das jeweilige Gefährt.
Auf diese Weise ergibt sich eine embodiment relation zwischen Spieler und
virtueller Kampfmaschine, genau wie sonst zwischen ihm und dem Avatar, sei-
ner Waffe und seiner Rüstung. Genau dadurch können Panzer eine von man-
chen Spielern als besonders intensiv empfundene virtuell-körperliche Erfahrung
ermöglichen. Denn als stählerne Kampfmaschine verfügen sie über besonders
mächtige virtuelle Zerstörungskräfte. Das zeigt sich bereits in der historischen
Rückschau. Michael Hengst kommentiert beispielsweise 1990 – zu einer Zeit
also, in der Panzerspiele auch von ComputerspieljournalistInnen noch moralisch
kritisch beäugt wurden (vgl. Kap. 6.1.1) – das Panzerspiel M1 Tank Platoon mit den
Worten: „Moral hin oder her: ‚M1 Tank Platoon‘ ist sicher nichts für die zartesten
Gemüter, aber es bringt einfach einen Riesenspaß, mit seinen fetten Panzern
über die digitale Wiese zu brummen.“268 1992 widmet Hengst in der Power Play
268 | Michael Hengst: M1 Tank Platoon. In: Power Play. Die 100 besten Spiele 1990 (1990),
S. 72. http://www.kultpower.de/archiv/heft_powerplay_1990-beste-spiele_seite72
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364