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KOMPETITIV UND KOOPERATIV 201
hatten, wenn’s mal hoch kam, 16 Wellen überstanden. Und 100.000 Punkte machten uns
schon glücklich. Also eine Million?
Wir trafen die beiden am 28. Februar in einer Hamburger SPIELOTHEK. Zeit: Etwa 9.30
Uhr. Kurzes Händeschütteln. Die Kandidaten setzen sich ans Gerät. ‚Ihr kommt also auf
über eine Million?‘ – ‚Ja, so im Schnitt sind’s 600.000 bis 800.000 Punkte. Einmal hat
Rüdiger die Million geschafft.‘ – Aha! – ‚Dann wollen wir mal!‘
Die gelben bzw. blauen Straußenkrieger rattern aus den freischwebenden Felsen. Und
dann schreien auch schon die Geier. Der Punktestand der beiden ist bei den ersten
Wellen annähernd gleich. Mal hat Rüdiger (21) 2.000 bis 3.000 Punkte Vorsprung, dann
führt Joachim (20). [...] Und dann kommen die Urvögel in Staffeln. Krächzen. Greifen an.
Werden getroffen. Das bringt Punkte. In unregelmäßigen Abständen lassen beide ihre
Krieger kurz hochfliegen, damit der gefangene Geierreiter in der Lavahand bleibt. [...]
Bei 1.113.050 Punkten ist das Spiel für Joachim vorbei. Rüdiger hat die Million auch
schon geschafft, aber nur noch zwei Krieger übrig. Und dann passiert’s: Es gelingt ihm,
einen der Geierritter über die Lava zu locken. Die Hand packt unerbittlich zu und lässt
nicht mehr los. Ein Punktesammeln ohnegleichen beginnt. Machen wir’s kurz: Um 10.42
Uhr lässt Rüdiger leicht erschöpft Aktionstaste und Steuerknüppel los. Punktestand:
1.445.450 in der 58ten Welle. Das ist Rekord!“5
Im Mittelpunkt dieses Berichts steht vor allem eins: Punkte. Diese gehören des-
halb seit der Entstehung von Computerspielen zu deren zentralen Elementen, weil
sie einen systematischen Vergleich der Spielleistung erlauben. Dieser Vergleich
wird in frühen Computerspielzeitschriften diskursiv als eine der ausschlagge-
benden Motivationen für das Computerspielen und als Ankerpunkt besonders
beglückender Erfolgserlebnisse dargestellt. „Gönnen wir uns gemeinsam den
Spaß, besser als alle anderen zu sein!“ – so bringen die Redakteure der Telematch
diese Erfahrungsfacette bereits im Editorial zur ersten Ausgabe von 1983 auf den
Punkt.6
Längst nicht in allen Spielen der damaligen Zeit tritt man direkt gegenei-
nander an, sondern man wetteifert vor allem darum, wer besser im Kampf ge-
gen den Computer ist. In Videospielhallen tragen sich die BesucherInnen nach
erfolgreicher Punktejagd jeweils in die Highscore-Listen eines Automaten ein,
was einen lokalen Vergleich ermöglicht. Zu vermuten ist, dass auch befreunde-
te HeimcomputerbesitzerInnen ihre Highscores miteinander verglichen. Darauf
deutet zumindest eine Hypothese des fiktiven Computerspielexperten „Dr. Bobo“
(alias Boris Schneider) hin, der in einer humorvollen Kolumne die frühen Com-
puterspielkulturen aufs Korn nimmt: „Die Hypothese von der Schwierigkeit eines
Actionspiels: Wenn es einfach aussieht, ist es schwer. Wenn es schwer aussieht,
5 | O.A.: Joust – Ein Fall für zwei. In: Telematch (1983), H. 4+5, S. 76-77. http://www.
kultpower.de/archiv/heft_telematch_1983-03_seite76
6 | O.A.: Telematch. Das Spiel beginnt. In: Telematch (1983), H. 1, S. 3. http://www.
kultpower.de/archiv/heft_telematch_1983-01_seite2
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364